Volltext: EINTRACHT (1999) (Staatsfeiertag)

BEI EINTRACHT STAATSFEIERTAG 
1999 UNSER GAST Fürst Hans-Adam II. von und zu 
Liechtenstein Der Mensch neigt dazu, immer wieder die gleichen Fehler zu machen. Anlässlich der Feier «300 Jahre Un- terland» komme ich der Einladung der Redaktion gerne nach, einen Gastkommentar zu schreiben. Die Leser der EinTracht werden mir hof- fentlich verzeihen, wenn sich mein Beitrag nicht mit einem Thema der Heimat- und Brauchtumspflege auseinandersetzt. Da gibt es in un- serem Heimatland zweifellos Per- sönlichkeiten, welche darüber sehr viel kompetenter schreiben können als ich. An der Menschheitsgeschichte ist immer wieder interessant, festzu- stellen, wie es neben den grossen Unterschieden oft erstaunliche Pa- rallelen gibt, selbst wenn zeitlich Jahrhunderte und räumlich Konti- nente dazwischenliegen. Man kann die Menschheitsgeschichte viel- leicht mit dem Leben eines Men- schen vergleichen, der vom Kinder- garten bis zur Pensionierung zwar ein riesiges Wissen ansammelt und manche Veränderungen durch- macht, aber aufgrund seines Cha- rakters dazu neigt, immer wieder die gleichen Fehler zu machen und wenig daraus zu 
lernen.Vor 
300 Jahren hiess der Fürst auch Hans-Adam. Die Parallelen zwischen dem Ende des 17. und des 20. Jahrhunderts beschränken sich aus meinem Blickwinkel nicht nur darauf, dass vor 300 Jahren auch ein Hans- Adam Fürst von Liechtenstein war. In Europa war das 17. Jahrhundert geprägt durch den Dreissigjährigen Krieg, der dreimal so lange gedau- ert hat wie im 20. Jahrhundert die beiden Weltkriege zusammen. Dienten im 17. Jahrhundert die Re- ligionen als Vorwand für einen er- barmungslosen Kampf um Macht und Vorherrschaft in Europa, waren es im 20. Jahrhundert die Ideologi- en wie Nationalismus, Sozialismus und Rassismus. Als Gegenbewe- gung zum religiösen Fanatismus entstand im 17. Jahrhundert die Aufklärung. Sie ging davon aus, dass der Mensch alleine mit seiner Intelli- genz und seinem Wissen den richti- gen Weg erkennt. Die Religion wurde oft als Aberglaube abgetan und verlor mit dem Gottesgnaden- tum und einer von Gott gewollten Ordnung als staatstragendes Prinzip immer mehr an 
Bedeutung. Das Himmelreich auf Erden und nicht jenes im Himmel war gefragt. Ein aufgeklärter Absolutismus mit einem aufgeklärten Monarchen und einer aufgeklärten Oligarchie sollte das Volk mit Hilfe von Bildung und Wissenschaft in eine glückliche Zu- kunft führen. Das Himmelreich auf Erden und nicht jenes im Himmel war gefragt. Die Aufklärung als gei- stige Bewegung hat den Menschen sicher viel Positives gebracht, aber eine solide Grundlage für eine neue politische Ordnung war sie nicht. Mit der Französischen Revolution begann das Ende des aufgeklärten Absolutismus als politische Ord- nung und der Anfang einer rund 200jährigen Periode, in der Ideolo- gien wie Nationalismus, Rassismus und Sozialismus die vorherrschen- den Prinzipien waren, auf denen die staatliche Ordnung in Europasich 
hauptsächlich abstützte. Trotz aller Fortschritte in diesen 200 Jah- ren konnten die Ideologien ebenso wenig wie der aufgeklärte Absolu- tismus das Himmelreich auf Erden schaffen, im Gegenteil. Allein im 20. Jahrhundert sind sehr viel mehr Menschen den ideologisch moti- vierten Kriegen und Verfolgungen zum Opfer gefallen als in all den religiösen Auseinandersetzungen der Menschheit im Laufe der Jahr- tausende. Die Demokratie als Hoffnungs- träger War am Ende des 17. Jahrhunderts die Aufklärung der Hoffnungsträger für die Menschheit, so ist dies am Ende des 20. Jahrhunderts die De- mokratie. Allerdings bin ich zutiefst überzeugt, dass die Demokratie nur dann langfristig überleben kann und sich für die Menschheit positiv auswirken wird, wenn wir einer- seits aus der Geschichte lernen und andererseits die Demokratie weiter ausbauen. Die Demokratie ist in der Antike schon einmal gescheitert, und fast 2000 Jahre lang war die Meinung vorherrschend, Demokratie führe unweigerlich in die Anarchie. Erst das amerikanische Experiment mit der Demokratie am Ende des 18. Jahrhunderts, von der Aufklärung stark beeinflusst, war nach dem Bürgerkrieg und anderen Schwie- rigkeiten schliesslich erfolgreich.
	        

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