Volltext: EINTRACHT (1999) (Ostern)

EINTRACHT OSTERN 
1999 PERSÖNLICHKEITEN Dr. med. Wilhelm Schlegel, Vaduz 1828-1900 Wilhelm Schlegel wurde am 18. November 1828 in Schaan gebo- ren. Sein Vater, Dr. med. Hannibal Schlegel, stammte aus Triesenberg und seine Mutter aus Freiburg i. Br. Wilhelm besuchte die Primarschule in Klosters, wo sein Vater einige Jahre eine ärztliche Praxis führte. Nach dem Besuch des Gymnasi- ums in Freiburg begann er an der dortigen Universität das Studium der Medizin. Zum klinischen Studi- um begab er sich für vier Semester an die Universität Wien. Danach machte er ein Praktikum bei Dr. Ludwig Grass in Vaduz, um an- schliessend zur Promotion nach Freiburg zurückzukehren. Beliebter und vielbeschäftigter Arzt Am 21. Mai 1853 promovierte er zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe. Nach Hause zu- rückgekehrt, gründete er zuerst eine Praxis in Nendeln, um dann aber nach der Resignation von Dr. Grass dessen Nachfolge in Vaduz anzu- treten. Dr. Schlegel wurde bald ein beliebter und vielbeschäftigter Arzt. Im Jahre 1864 heiratete er Rosa Gohm aus Feldkirch. Der Ehe ent- sprossen der Sohn Wilhelm Karl und die Tochter Rosa. Dr. Schlegel baute in den Jahren 1879/80 dassogenannte 
«Schlegelhaus» unter- halb des Bockwingerts in Vaduz nach Plänen des Architekten Ignaz Banko aus Wien. Bei den ersten Landtagswahlen 1862 wurde Dr. Schlegel Ersatzabgeordneter. Geachteter und geschätzter Landtagspräsident Ins Rampenlicht des öffentlichen Lebens trat er aber erst 1867, als er die Nachfolge des Abgeordneten Pfarrer Anton Gmelch antrat. Er wurde gleich auch zum Vizepräsi- denten des Landtags und zum Mit- glied der Finanzkommission ge- wählt. Als Dr. Karl Schädler wegen Erkrankung sein Mandat niederleg- te, wurde Dr. Schlegel am 30. Mai 1871 zu dessen Nachfolger als Landtagspräsident gewählt, ein Amt, das er dreimal bekleidete. Ab- geordneter blieb er aber bis zu sei- nem Tode im Jahr 1900. Fürstlicher 
Landesphysikus 1874 wurde Dr. Schlegel vom Für- sten zum Landesphysikus ernannt. Als solcher hatte er über den öffent- lichen Gesundheitszustand zu wa- chen; unter seiner Aufsicht standen sämtliche Medizinalpersonen; er hatte für die Behandlung kranker Armer zu sorgen; ihm oblag die Aufsicht über das Entbindungs- und Impfwesen; er fungierte auch als Gerichtsarzt. Erst ab 1889 erhielt er ein «Wartegeld» von 500 Gulden pro Jahr. Im Landtag standen während seiner Amtszeit als dessen Präsident manche wichtigen Ent- scheide an. So fiel in diese Zeit die sogenannte «Spielbankangelegen- heit»: Da die Rheinbettsohle schon weit über das Talniveau angestie- gen war, hatte die Überschwem- mungsgefahr enorm zugenommen. Es mussten Hochwuhre erstellt wer- den, doch dazu fehlte das Geld. Da bot die Spielbank Baden-Baden acht Millionen Franken für eine Konzession in Liechtenstein. Volk und Landtag waren dafür - doch der Fürst war dagegen. Der Landtag schickte eine Delegation unter der Leitung Dr. Schlegels zum Fürsten, der sich aber nicht umstimmen liess. Immerhin gewährte er dem Land dann ein zinsloses Darlehen«Schlegelhaus» 
in 
Vaduz von 125'000 Gulden. Damit konn- ten die Rheinwuhrbauten zügig vorangetrieben werden. Ein weite- res Beispiel für die Landtagstätigkeit Dr. Schlegels waren die sog. «Münz- wirren» der Jahre 1875/1876, die den Staat in eine schwere politische Krise führten. Da der Wert der Sil- berwährung in kurzer Zeit um ge- gen 10 Prozent gesunken war, ver- langten die Oberländer die Einfüh- rung der Goldwährung wie in der Schweiz. Die Unterländer, mehr nach Österreich orientiert, wollten das Silber behalten. Der Streit führ- te zur Auflösung des Landtags und damit zu Neuwahlen. Da aber Dr. Schlegel die Gültigkeit dieser Wah- len nicht anerkannte, legte er sein Landtagsmandat nieder. Der Land- tag beschloss danach die Aufteilung des Landes in zwei selbständige Wahlkreise. Bei den folgenden Wahlen im Jahre 1878 wurde Dr. Schlegel mit hoher Stimmen- anzahl wiedergewählt und wieder als Landtagspräsident bestellt. Seine letzte Periode als Landtagspräsident dauerte von 1886 bis 1890, dann wurde er von Dr. Albert Schädler abgelöst. Als im September 1894 die Errichtung eines Waisenhauses zur Debatte stand, machte er den der Zeit weit vorauseilenden Vor- schlag, die Versteigerung der Ver- pflegung von Waisenkindern zu un- tersagen, diese dafür in vertrauens- würdigen Familien unterzubringen und den Pflegeeltern einen Jahres- beitrag von 100 Gulden auszurich- ten. Dr. Schlegel vereinsamte in sei- nem Alter immer mehr und stellte sich oft gegen die allgemeine Mei- nung. Er starb an einem Schlagan- fall im Alter von 72 Jahren. Dr. Rudolf Rheinberger
	        

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