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EINTRACHT STAATSFEIERTAG 1998 zweifellos fruchtbarste Verhältnis ein, waren die glücklichsten Eigen- schaften und Augenblicke eines In- dividuums und einer Epoche ver- eint. Mit Joseph Wenzel erfuhren die Sammlungen schliesslich eine ba- rocke Nachblüte. Die Zeit grosser Bauvorhaben war vorüber. Um so ausgeprägter zeigte sich der Fürst an den ihm vererbten Kunstwerken interessiert, insbesondere an der ihm als persönliches Legat von Fürst Johann Adam übergebenen privaten Gemäldesammlung, die ge- trennt von der Fideikommissgalerie verwaltet wurde. Wo immer Joseph Wenzel in diplomatischer Mission für das österreichische Kaiserhaus tätig war, suchte er auch die Begeg- nung mit Künstlern. Er gab Gemäl- de in Auftrag, etwa bei Antoine Pesne und Hyacinthe Rigaud (Abb. 7), oder kaufte bei Händlern. Unverkennbar war sein Auge, in der Geschichte des Hauses Liech- tenstein eine Ausnahme darstel- lend, auf französische Kunst gerich- tet. Zu den schönsten durch seinen Auftrag entstandenen Kunstwerken gehören jedoch zwei italienische Gemälde - die von Bernardo Bel- lotto um 1 759 geschaffene Garten- und Seitenansicht des Palais' in der Rossau zu Wien (Abb. 6 und 17). Die Sammlungen verdanken ihm zugleich aber den Erwerb der bron- zenen Reiterstatuette des Grossher- zogs der Toskana, Ferdinando I. de'Medici (Abb. 13), welche den Namen Giambolognas trägt und so- mit einen Mittelpunkt für jene wohl schon von Karl Eusebius erworbe- nen Kleinbronzen schuf, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem grossen, in Florenz tätigen Bildhauer entstanden waren. Auch zwei kostbare Geschenke an Fürst Joseph Wenzel fanden Eingang in die Sammlungen - das ehemals vierundzwanzigteilige Tafelservice der Königlichen Porzellanmanufak- tur zu Berlin, das der preussische König Friedrich der Grosse direkt für den Fürsten in Auftrag gab (Abb. 29), sowie zwei Kästen mit je drei spanischen Prunkgewehren, die ihm Kaiser Joseph II. übereignete.Nach
dem Tode Joseph Wenzels wurden die Sammlungen erst wie- der durch Fürst Johann Joseph I. grosszügig erweitert, vor allem im Bereich der Malerei. In den Jahren zwischen 1807 und 1810 verlegte Johann Joseph die Fideikommissga- lerie aus dem Stadt- in das Garten- palais, wo sie bis zu ihrer Übersied- lung nach Vaduz blieb. Konzen- trierten sich die Fürsten von Liech- tenstein mit ihren Aufträgen und Erwerbungen von Kunstwerken bis hin zu Alois II., der die Sammlun- gen durch die Epoche des Wiener Biedermeier bereicherte (Abb. 30 und 31), auf die Zeit des 16. bis 19. Jahrhunderts, so kam es durch Fürst Johannes II. (1840-1929) zu einer nennenswerten Erweiterung des Sammlungsbestandes aufgrund des Ankaufs von Gemälden und Skulp- turen des 14., 15. und frühen 16. Jahrhunderts (Abb. 11 und 12). Johannes II., der hinsichtlich des Kunstschaffens seiner eigenen Zeit keine persönliche Resonanz zu empfinden vermochte und daher auf einen Anschluss der Sammlun- gen an die Moderne verzichtete, wurde aufmerksam auf die Meister der Gotik und der (Früh-)Renais- sance sowie auf die frühen Nieder- länder, die bei den Fürsten bislang gar keine oder nur geringe Beach- tung gefunden
hatten. Restaurierung von Schloss Vaduz 1904-1912 und Ausbau als Residenz 1938 Fürst Johannes II. war nicht zuletzt um eine grundlegende Restaurie- rung der Burg Liechtenstein bei Mödling (ehemals Maria Enzers- dorf), dem ältesten nachweisbaren Stammsitz des Hauses, und des Schlosses Vaduz besorgt. Instand- setzung und Ausbau des Vaduzer Schlosses in den Jahren 1904 bis 1912 befähigten Fürst Franz Josef II. im Jahre 1938, Wien zu verlassen und im Fürstentum Liechtenstein neue Residenz zu beziehen. Auch der grösste Teil des fürstlichen Kunstbesitzes fand während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Vaduzer Schloss eine neue Hei- mat. Franz Josef II. sah sich jedoch aufgrund der politischen und krie-Abb.
28: Anthonis van Dyck (1599-1641); Bildnis des James, Ersten Herzogs von Hamil- ton (1640); Leinwand; 218,7 x 129,2 cm; Inv. Nr. G 64; erworben 1991 durch Fürst Hans Adam II. Abb. 29: Königliche Porzellanmanufaktur KPM; Zitronenkorb; Porzellan; Höhe 38,8 cm; Inv. Nr. P 1405/6; erworben 1766 als Ge- schenk durch Fürst Joseph
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