Volltext: EINTRACHT (1998) (Ostern)

mmEINTRACHT OSTERN 
1998 SAGEN Die Befreiung von den Zwingherren In den zerfallenen Burgen am Schellenberg ist es nicht geheuer, denn es gehen in ihren Trümmern die alten Zwingherren um zur Bus- se für die Frevel, die sie im Leben verübten. Viel Überdrang und Ge- walt musste das Volk von ihnen lei- den. Durch Kornäcker und mahd- reife Wiesen jagten die Ritter mit Knechten, Rossen und Hunden. Weder Eigentum, noch Unschuld schonten sie. Noch ist in den Dör- fern das schmähliche Recht der er- sten Nacht nicht vergessen. Des- halb erhoben sich die Bauern end- lich. An einem Funkensonntag stürmten und brannten sie die Bur- gen und erschlugen die Herren mit harter Hand und grimmigem Sinn. Am frohesten über diese Tat der Be- freiung waren die Weiber. In ihrer Freude bereiteten sie den Männern nach der Heimkehr vom Kampfe ein Mahl von Küchle und Milch. Bei den Prozessionen ging von da ab in den Dörfern am Schellenberg stets die jüngst verheiratete Frau in der Mitte von zwei Jungfrauen, eine brennende Kerze in der Hand, allen anderen voran zum Danke dafür, dass sie ihre Reinheit nicht mehr in roher Herren Gewalt opfern muss- te, und der jüngst verheiratete Mann trug die Fahne. Durch mehr als fünfhundert Jahre wurde dieser Brauch eingehalten, - erst in neue- ster Zeit ist er erloschen. Am längsten hielt sich dieser Brauch in Tosters, wo bis nach dem Weltkriege die jüngst verheiratete Frau in der Mitte von zwei erst der Schule entwachsenen Mädchen, al- le mit brennenden Kerzen in der Hand, bei den Prozessionen voran- ging. In der Kirche war für diesel- ben ein eigener Betstuhl bereit; da- her die Bezeichnung «ins Stühle» gehen. - In Mauren währte der Brauch, dass der jüngst verheiratete Mann die Fahne tragen musste, bisvor 
einigen Jahren. In Eschen erin- nert daran noch, dass von jedem Hochzeiter mit den anderen pfarr- ämtlichen Vermählungskosten vier Franken für den Fahnenträger ein- gefordert 
werden. Von den Geistern am Schellenberg Früher war die Geisterplage in den Dörfern am Schellenberg gross. Nicht nur bei den verfallenen Bur- gen geisterte es, so dass diese Orte jedermann mied, sondern auch in vielen Torkeln und Häusern. - Be- sonders der «Binsentorkel», der jetzt abgebrochen ist, war voller Geister. Als einmal ein junger Bur- sche zum Torkelmeister, der es ihm vergeblich verwies, über die Gei- ster spottete und meinte, er möchte doch etwas von ihnen spüren, warf ihn eine unsichtbare Gewalt über und über, dass er halb besinnungs- los liegen blieb. Aus Rechenmachers Haus an der Gamp mussten sie oft zu Nachbars- leuten flüchten, so arg trieben es die Geister dort. Man hörte, wie die Haustüre ging und Tritte in der Oberkammer, manchmal kamen auch zwei grosse Männer mit weis-sen 
Zipfelhauben in die Stube oder ein weissgewandetes junges Weib, das vor den Spiegel hinstand, sich strählte und dann verschwand. An einem andern Hause riss es, selbst an ganz windstillen Tagen, plötzlich und unversehens im glei- chen Augenblick beide Tenntore auf, und dies geschah oft und im- mer auf dieselbe Weise. Besonders in einem Hause aber war es wegen der Geister kaum zum Aushalten. Deshalb beschloss der Besitzer, es abzubrechen und an einer andern Stelle wieder auf- zubauen. Denn wenn man es so macht und dabei die Schwelle am alten Hausplatze liegen lässt, blei- ben die Geister dort zurück. Als aber die letzten Balken fortgeführt wurden, rief ein leichtfertiger Fuhr- knecht: «Alle sollen ufsitza!» und lud überdies auch noch die Schwelle auf. Da war es am neuen Platze im Hause so arg wie 
früher. Der Geist beim Benderer Pfarrhof Im Benderer Pfarrhof findet sich ein Zimmer, in dem es nicht richtig ist, denn dort geistert der pflichtverges- sene Pfarrer. In alter Zeit, als um Turm und Kir- che herum noch alles voller Reben wuchs, war in Bendern ein Pfarrer, der die Jagd mehr liebte als Kreuz und Kirche. Einstmals wurde er zu einem Versehgang gerufen, er aber sagte: «Ich muss noch zuerst den Hasen um den Wingert herumja- gen!» - und ging mit zwei Weidge- sellen auf die Jagd. Als er von ihr zurückkehrte, war der Kranke bereits verschieden; der Pfarrer kam gerade um eine Viertel- stunde zu spät. Nach dem Tode dieses Pfarrers hat- te es dann im Pfarrhof und bei der Kirche Geister, und es geistert dort noch bis auf den heutigen Tag. A. Hensler, Vorarlberg 26
	        

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