Volltext: EINTRACHT (1997) (Ostern)

HlEINTRACHT OSTERN 
1997 LEITARTIKEL Zur Feier des 60. Geburtstages von Fürstlicher Rat Robert Allgäuer, Va- duz, luden das Liechtenstein Insti- tut, Bendern, der Historische Verein für das Fürstentum Liechtenstein und die Liechtensteinische Akade- mische Gesellschaft (LAG) zu ei- nem Festakt in den Kapitelsaal des Pfarrhauses Bendern 
ein. Den Fest- vortrag (Begrüssung) unter dem Ti- tel «Kaiser, Beck und Nana, die Geschichte der Menschen Liech- tensteins», hielt Mathias Ospelt aus Vaduz. Nachstehend die erste Seite seines zehnseitigen hervorragenden Vortrages, der demnächst in den «Kleinen Schriften» der LAG er- scheinen 
wird. Vor der Zeit-Kulisse der Jahr- tausendwende wird es dramatisch «Unser Land, unsere Heimat und damit wir als unsere Menschen ste- hen wieder einmal, wie schon so oft in der Geschichte, vor grossen Entscheidungen, Veränderungen, Wandlungen. Vor der Zeit-Kulisse der Jahrtausendwende wird es dra- matisch: Eine neue Verfassung soll der alten Konstruktion des Staates unter die Arme greifen. Zunehmen- de Arbeitslosigkeit und der für ei- nen Teil der Bevölkerung unter die Nullgrenze sinkende Wohlstand werden einen Keil mitten in die be- stehende Gesellschaftsstruktur trei- ben. Ein Mittun in Europa, ein Mit- tunwollen in der Welt werden ihren Tribut verlangen. Das wird auf den Etat drücken. Und auf die Seele. Und während die Grenzen um un- ser Land sich in der Theorie weiten, bis zu deren scheinbarer Auflösung,wird 
der Inhalt der in den Köpfen weiterbestehenden Grenzen aus den Nähten platzen. Das ist das ei- ne. So wird es 
sein Das andere ist, dass nach und nach das- und diejenigen im Wegsterben begriffen sind, die uns, die wir noch zu bleiben gedenken, erzähl- ten und uns erinnerten, wo wir her- kommen und wer wir sind. Wohin die Reise am Ende geht, wird bald nur noch von uns ganz alleine ab- hängen und davon, was wir denen, die nach uns kommen, hinterlas- sen. Der persönliche Draht zur Ver- gangenheit wird brechen. Eine Ver- gangenheit, die wir noch irgend- wie nachvollziehen können, wird schliesslich nur noch aus Archiven sprechen. Aus prächtigen Bildbän- den und CD-ROM-Scheiben. Sie wird nicht mehr aus Erfahrung spre- chen. Nicht mehr vom Selbst-Erleb- ten. So wird es 
sein. Das ganze Gerede über die alten Zeiten Mag sein, dass diese Sorgen nicht wichtig sind. Überbewertet. Viel- leicht sind es lediglich die Sorgen derjenigen, die den Draht zwischen dem Einst und dem Morgen noch halten und feststellen, wie er sprö- de wird. Vielleicht ist es ja so, dass sich die meisten auf eine solche Reise ins Unbekannte freuen. Nur darauf gewartet haben. Dass Brücken endlich abgebrochen wer- den. Dass der alte Ballast endlich über Bord geworfen wird. Die ver- staubten Hüte und die verfransten Zöpfe. Die eingemachte Verwandt- schaft. Das in Wehmut eingelegte Dorf. Das ganze Gerede über die alten Zeiten. Die so fern sind vom wirklichen Leben wie die Land- ammann-Wahl vom Wahlwochen- ende. Der Zehent von der Mehr- wertsteuer. Der Rebel vom Big Mäc. Wie damals noch gearbeitet wurde Vielleicht sind wirklich viele froh, wenn sie nicht mehr hören müssen, wie man <damals> noch jeden Mor- gen vor dem Unterricht auf die Alp rennen musste, um das Vieh zumelken. 
Und wie es dienstags und donnerstags zur Schtubeti ging. Wie <damals> noch gearbeitet wur- de. Wenn es Arbeit gab. Wie da- mals) noch miteinander gegessen wurde. Wenn es Essen gab. Und dann: Wie der eine, damals, gegen den anderen, damals, und der an- dere, damals, gegen den einen, da- mals, und wie dies alles noch im- mer, damals wie heute, Legitimati- on ist für das eine oder auch ande- re, für viele heute nicht mehr nachvollziehbare Verhalten. Viel- leicht gibt es solche, die, anders als Peter Kaisers Landsleute vor 150 Jahren, nicht mehr wissen möchten, «woher sie stammen, wie es ihren Vorfahren ergangen ist, und wie sie» dorthin gekommen sind, wo sie sich jetzt befinden. Wer 
weiss? Die eigene Geschichte sollte nie vergessen werden Ich jedenfalls möchte mich nicht zu jenen Nichts-Wissen-Wollenden zählen. Auch wenn ich, wie jene, vieles nicht mehr hören mag. Und ich über vieles froh wäre, wenn ich es endlich in eine Kiste packen, diese zuschnüren und sie auf dem Grunde des Rheines versenken könnte. Weil mein Glaube an den Wert des Individuellen sehr gross ist. Weil mir Eigenständigkeit wich- tig ist. Und Eigenverantwortlichkeit. Ich glaube aber auch, bin über- zeugt sogar, dass die eigene Ge- schichte nie vergessen werden soll- te. Weil sich aus der daraus gewon- nenen Erkenntnis auch eine Verant- wortung ergibt. Nicht nur eine Selbstgefälligkeit.» Ich habe dem nichts hinzuzufügen und wünsche allen Lesern und Le- serinnen ein frohes und gesegnetes Osterfest. Adulf Peter Goop
	        

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