Volltext: EINTRACHT (1993) (Ostern)

1 EINTRACHT OSTERN 
1993 DAMALS Der Versehgang Mit Laterne und silberner Glocke Es war Ende der Zwanzigerjahre. Jeden Sonntagmorgen um 6 Uhr las der Klosterpfarrer in der Klosterkir- che die Frühmesse für die Einwoh- ner von Schellenberg. Der Ortspfar- rer hörte unterdessen Beichte. Eines der Beichtkinder sagte ihm am Schluss der Beichte, dass die Nana schwer krank sei und im Sterben liege und er möchte ihr doch so schnell wie möglich die Kommuni- on bringen und die «Letzte Ölung» spenden, denn «Ist einer unter Euch krank, dann rufe er die Priester der Gemeinde zu sich» (Jak. 5, 14-15). Die nächsten Sünder im Beichtstuhl hatten es leicht, denn der Pfarrer machte kurzen Prozess, um schnell der Sterbenden zur Hilfe zu eilen. Im grauenden Morgen ging nun Ludwig, der Messdiener, im roten Ministrantenkleid mit der Laterne und einer silbernen Glocke vor dem Pfarrer im weissen Chorhemd und dem Allerheiligsten sowie dem Sterbeöl, hinunter in den Unter- schellenberg. Es war kühl und klar, anfangs Frühling. Die Dächer der Häuser glänzten silbrig vom Rauh- reif, beim Tannenwald trieb ein Bauer seine Kühe zum Brunnen vor dem Stall. Auf halbem Wege blieber 
stehen und machte das Kreuzzei- chen. Auch der Pfarrer hielt ein, um den Bauer zu segnen, und Ludwig läutete dreimal dazu mit der silber- nen Glocke. «Amen», sagte der Bauer, und schaute dem Pfarrer noch eine Weile nach, überlegend, wohin des Pfarrers Weg wohl führe. Der Pfarrer ging nicht der Haupt- strasse entlang, sondern den Glend- weg hinunter, um ja noch rechtzei- tig zur Sterbenden zu kommen. Auf der Platte standen noch drei Frau- en, die die Frühmesse besucht hat- ten, beisammen, und schon von weitem läutete Ludwig mit seiner silbernen Glocke, damit die Frauen, trotz eifrigen Gesprächs, den Pfar- rer mit dem Allerheiligsten nicht übersehen. Sie knieten nieder und erhielten den Segen; wem der Be- such des Pfarrers galt, das wussten sie schon 
längst. Wegzehrung für die Sterbende Im Hausflur angekommen, fand der Pfarrer die Familienmitglieder, Kin- der und die Frauen aus der Nach- barschaft schon versammelt, den Rosenkranz betend. Der Pfarrer trat ein, und niemand begleitete ihn, denn er wusste selber, wo die Leute in Schellenberg sich hinbetteten, wenn sie sterben mussten. In der Nebenstube lag die Nana im Bett und wartete auf den Pfarrer. Er stell- te das Allerheiligste auf das weisse Linnen des liebevoll hergerichteten Versehtisches. Der Pfarrer trat an das Bett und beugte sich über die Sterbende, welche mühsam atmete, aber noch sprechen konnte. Der Pfarrer schloss die Tür und blieb mit der Sterbenden allein. Er setzte sich zu ihr, nahm ihre Hand und sprach ihr leise zu. Einfach war es, was der Pfarrer sagte, denn er hatte eine gute und vertraute Art, vor al- lem mit älteren Menschen zu re- den. Mit dem Daumen machte er schliesslich das Kreuzzeichen auf die nasse Stirn der Sterbenden und nahm ihr so die Last ab, segnete sie und sprach sie von ihren Sünden los. Jetzt trug er die weisse Stola auf den Schultern. Er öffnete nun die Türe wieder und bat die Familien- angehörigen in die Nebenstube. Die Nachbarn blieben unter derTüre 
stehen. Der Pfarrer reichte der Sterbenden die Wegzehrung für ih- re Himmelsreise und salbte sie mit heiligem Öl und alle waren über- zeugt davon, dass Gebet und Handreichung für die Kraft des Glaubens vieler Geschlechter wir- ke. «Herr, vergib uns unsere Schuld», betete der Pfarrer, «erlöse uns vom Übel». «Amen», sagte die Sterbende und auch alle Anwesen- den, glücklich darüber, dass die Nana nun «gestärkt mit dem Heili- gen Sterbesakramenten» und «ver- sehen mit den Tröstungen unserer heiligen Kirche» ihre Seele dem Schöpfer zurückgeben konnte. Der Pfarrer legte noch die Hände der Nana, in welche er das Sterbe- kreuz gab, ineinander. Still war es in der Nebenstube geworden, aber der Tod trat noch einmal für kurze Zeit in den Hintergrund. Am frühen Nachmittag ist die Nana mit einem Leuchten auf dem Gesicht, fast oh- ne dass die Angehörigen es gespürt haben, von uns gegangen. Adulf Peter 
Goop LACHENDES LIECHTENSTEIN Aus dem gleichnamigen Buch von Prof. Otto Seger, Vaduz, 1982, sowie mündlichen 
Überlieferungen Der Fortunat Fortunat Meier, Eschner Bürger, Bauer und Maurer: «I bi s Gegataal vo ma na Kamööl.» «Warum?» «A Kamööl ka a Woha lang schaffa ohne z suufa, i ka a Woha lang suufa ohne z schaffa.» Die Maurer haben im Riet immer früher Erdäpfel gesteckt als die Eschner. Der Fortunat: «Füar Grundbira goot s scho, füar Härdöpfel war s noch z früa.» Er erklärte nachts im Gasthof Ein- tracht: «Jetzt gang i hom zu minra einstiga 
Braut.» 8
	        

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