Volltext: EINTRACHT (1993) (Ostern)

'EINTRACHT OSTERN 
1993 LEITARTIKEL Wer die heutige wirtschaftliche, technische und politische Entwick- lung verfolgt, der erkennt sehr bald, dass die Zukunft weltweit der grenzüberschreitenden Zusammen- arbeit gehört. Das ist eine Realität, von der wir auszugehen 
haben. Kulturelle Vielfalt Andererseits werden als Gegenkraft europaweit der Tradition verpflich- tete Kräfte und Denkweisen immer stärker. Gegenüber der Gefahr einer vielfältigen kulturellen Nivellierung organisieren sich heute zunehmend kulturerhaltende Bewegungen und Kräfte der Volksgruppen und Regio- nen. Die Menschen entdecken wie- der ihren Lebensraum als etwas Besonderes. Sie spüren immer deut- licher, dass man beständige Lebens- formen wieder schrittweise zurück- gewinnen muss, dass wir natürliche Kreisläufe brauchen. Unsere Le- benswelt ist überschaubar. Profes- sor Dr. Franz Gschnitzer, Präsident des Obersten Gerichtshofes, schrieb im Jahre 1962 in der Gedächtnis- schrift für Dr. Ludwig Marxer: «Im Kleinstaat fallen Staatsbewusstsein und Heimatgefühl zusammen. Das im Grossstaat nur zu leicht verblas- sende Staatsbewusstsein wird im Kleinstaat durch das lebendige Hei- matgefühl gehalten und verstärkt. Der Kleinstaat steht seinem Bürger viel näher als der Grossstaat. Sein Land ist ihm Staat und Heimat zu- gleich.» Und er meint weiter: «Liechtenstein schlägt nicht nur geographisch Brücken über den Rhein - den europäischen Strom! - es schlägt sie auch geistig zwischen europäischer Vergangenheit und Gegenwart und zwischen europäi- schen Völkern und 
Rechten.»Wir-Gefühl 
Der natürliche Kreislauf muss auch in der Verbindung zum Nachbarn, aber auch in der Verbindung von einer Generation zur anderen wie- derhergestellt werden. Grundlage muss aber auch die Mitgestaltung in der Gemeinschaft sein. Wertmassstäbe wie Selbstverant- wortung, Eigenständigkeit, Selbst- bestimmung, das Gefühl, dass man zusammengehört, das Wir-Gefühl und der sinnvolle Wert der Tradi- tion müssen wieder mehr beachtet werden. Das Streben nach materiellen Wer- ten hat verständlicherweise nach dem Zweiten Weltkrieg so manches Handeln in die falsche Richtung ge- führt. Das Leitbild der Modernisie- rung hat uns aber nicht nur er- wünschte Fortschritte gebracht, es hat auch Resultate geschaffen, die sich heute nicht mehr als Wohltat erweisen. So haben wir unsere Um- welt missbraucht und sind herzlos mit unseren Dörfern umgegangen. Die jahrhundertealten Häuser unse- rer Vorfahren gehören zu unserer Kultur. Glücklicherweise redet man heute zu Recht viel von Dorfer- neuerung und dem Denkmalschutz. Sie sind weit mehr als nur «Orts- bildverschönerungen», weil sie auch hinter die Fassaden gehen, weil sie immer auch innere Erneue- rungen sind, also eine Rückbesin- nung auf Werte, die durch Jahrhun- derte das Zusammenleben geprägt haben, aber in unserer hochtechni- sierten Zeit zu Unrecht in den Hin- tergrund gedrängt 
werden. Tragfähige Brücken Brücken zwischen Nationen sind aber nur dann tragfähig, wenn sie an den Ufern fest verankert sind. Europa wird seine Kraft aus der wirtschaftlichen, landschaftlichen und kulturellen Vielfalt seiner Re- gionen ziehen. Kurzum, ein glückli- ches Europa und damit ein glückli- ches Liechtenstein von morgen können nur durch das Zusammen- wirken von Völkern und Nationen entstehen, die sich ihrer Eigenarten, ihrer Identität und ihrer Tradition bewusst sind und daraus Kraft und Selbstbewusstsein für die Bewälti-gung 
der Gegenwart und der Zu- kunft schöpfen. Wir Liechtensteiner sollten uns durch den Blick in die Vergangen- heit, durch das Bewusstsein, dass schon Tausende von Jahren hin- durch Menschen hier gewohnt und zusammengehalten haben, bei den kommenden grossen Entwicklun- gen gestärkt fühlen, um mit offe- nem Blick an den Aufgaben, die uns durch das Zusammenrücken Europas und das Kleinerwerden der Welt zufallen, im Rahmen unserer Möglichkeiten konstruktiv mitzu- wirken, ohne dabei unsere kleine, aber lebens- und liebenswerte Hei- mat, das souveräne Fürstentum Liechtenstein, und uns selbst zu verlieren. Unsere Zeitschrift «EinTracht» Hei- mat- und Brauchtumspflege, möch- te hiezu einen bescheidenen Bei- trag 
leisten. v <J Adulf Peter Goop Obmann der Liechtensteinischen Trachtenvereinigung Der Vater «Nenn mich nicht beim Vorna- men!» bittet der Vater seine Tochter. «Macht es dir etwas aus?» «Mir nicht, aber dir.» «Wie soll ich das verstehen?» «Du hast viele Freunde, die du beim Vornamen nennen kannst, aber nur einen Vater.»
	        

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