Politische Kultur in der Zwischenkriegszeit
sorgt, daß wir nun eine aus Einheimischen bestehende Regierung ha-
ben». Dagegen seien es die Exponenten der Bürgerpartei gewesen, wel-
che die Schaffung «einer einheimischen Regierung [...] um jeden Preis
bekimpfren».>” Die Liechtensteiner Nachrichten behaupteten 1928, im
Falle eines Sieges der Bürgerpartei würden wiederum ausländische Lan-
desverweser — «fremde Vögte»® — regieren. Dies wies das Volksblatt als
«Lügen und [...] bewußte Verhetzung des Volkes» zurück.“ Die Volks-
partei unterstellte der Bürgerpartei zudem, sie beabsichtige, die Staats-
verträge mit der Schweiz, den Zollvertrag und den Postvertrag, zu kün-
digen. Das Volksblatt bezeichnete dies 1928 als «[d]ie Krone ihrer
Demagogie» und versicherte: «Die Verträge mit der Schweiz werden
fortbestehen, auch wenn die Volksparteiführer nicht mehr im großen
Hause [Regierungsgebäude] sind».®
Das damals arme Liechtenstein benötigte dringend einen wirt-
schaftlichen Aufschwung und die Schaffung von Beschäftigungsmög-
lichkeiten. Man schrieb nur der eigenen Partei Kompetenz in diesem
Bereich zu. Die Liechtensteiner Nachrichten mahnten im Januar 1926:
«Die Bürgerpartei bringt den Stillstand in der wirtschaftlichen Fortent-
wicklung des Landes».® 1932, nach vier Jahren Regierungstätigkeit der
Bürgerpartei, verwies das Volksblatt auf die wirtschaftlichen Erfolge in
dieser Zeit, mit dem Hinweis, dass die Volkspartei im Gegensatz zur
Bürgerpartei nur leere Versprechungen vorzuweisen habe: «Was hat die
Volkspartei versprochen? Arbeit, daß die sogen. Italienerfahrten®* auf-
hören[.] Straßen-Entstaubung und Straßenverbesserung[.] Bau des Bin-
nenkanals und Rietentwisserung[.] Eine Eisenbahn durchs ganze Land
bis auf den Schellenberg[.] Eine moderne Unfallversicherung fir die
59 Oberrheinische Nachrichten, 4. Februar 1922.
60 Liechtensteiner Nachrichten, 12. Juli 1928. Vor 1848 hatten die Landesverweser den
Titel «Landvogt» getragen.
61 Liechtensteiner Volksblatt, 7. Juli 1928.
62 Liechtensteiner Volksblatt, 12. Juli 1928.
63 Liechtensteiner Nachrichten, 9. Januar 1926.
64 Damit ist die Saisonarbeit von Liechtensteinern und Liechtensteinerinnen im Aus-
land, insbesondere in der Schweiz, gemeint. Man bezeichnete diese als «Italiener-
fahrten», so ein Einsender in den Oberrheinischen Nachrichten vom 29. Juni 1923,
«weil Italien seine überschüssige Arbeitskraft nicht besser zu verwenden weiß, als
daß es sie jährlich in mehr als hunderttausendfacher Auflage über die Grenze spe-
diert resp. gehen läßt.»
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