Arthur Brunhart
Deutscher Bund, Revolution
und Verfassungsfrage
Im März 1848 — im Deutschen Bund, in der Habsburgermonarchie, in
Frankreich, Italien, Polen und anderen Regionen Europas entluden sich
die politischen Spannungen seit dem Frühjahr in gewaltsamem Aufruhr
— berief die Bevölkerung Peter Kaiser an die Spitze der revolutionären
Bewegung in Liechtenstein. Auch im Fürstentum stellten sich bedeu-
tende Fragen in Staat und Gesellschaft. Kaiser entwarf Eingaben mit
politischen und sozialen Forderungen an den Fürsten, die eine davon
versehen mit dem mahnenden Hinweis: «So ergreift auch uns die Bewe-
gung, welche ganz Deutschland durchzuckt und an alle Throne klopft:
Auch wir wollen eine freiere Verfassung, Entlastung des Grundeigen-
thums — wir wollen in Zukunft als Bürger, und nicht als Unterthanen
behandelt sein.»*
Die liechtensteinische Bevölkerung wählte Kaiser auch zu ihrem
Abgeordneten in die Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche
in Frankfurt.“ Hier begegneten ihm wieder Ideen aus seiner Freiburger
Zeit, so der nationale Verfassungsstaat oder die Überzeugung, dass poli-
tische Veränderungen «parlamentarisch beschlossen und durch Zustim-
mung der Fürsten legitimiert» sein sollten.“
Innenpolitische Ziele Peter Kaisers und seiner Mitstreiter Karl
Schädler, Ludwig Grass und anderer waren vor allem Grundrechte, eine
liberale Verfassung, Mitwirkung bei der Gesetzgebung und eine mit
Liechtensteinern besetzte Verwaltung“ — insgesamt eine Stärkung der
demokratischen Mitwirkung der Bevölkerung und eine Beschränkung
der Allmacht des Monarchen. Die höchste Gewalt sollte in Fürst und
Volk vereint sein und der Fürst ein bloss aufschiebendes Vetorecht
haben. Volkssouveränität war nun auch in Liechtenstein ein Thema.
42 Geiger, Geschichte, S. 60.
43 Zur Fraktionszugehörigkeit Kaisers in der Paulskirche siehe Geiger, Geschichte
Liechtensteins, S. 128; Langewiesche, Peter Kaiser als Politiker, S. 52, erwähnt die
Zuordnung zur linken Fraktion Westendhall. Diese Fraktion hatte sich «die Ver-
wirklichung der Demokratie mit gesetzlichen Mitteln» auf die Fahne geschrieben.
Botzenhart, Deutscher Parlamentarismus, S. 399-400.
44 Langewiesche, Peter Kaiser als Politiker, S. 52.
45 Geiger, Geschichte, S. 59-81.
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