Liechtensteinische Geschichtswissenschaft
Ins staatliche Umfeld gehören zudem einige grössere Projekte, die in den
letzten Jahren von der Regierung angestossen worden sind. Zu denken
ist etwa an die 300-Jahr-Jubiläen des Erwerbs der Herrschaft Schellen-
berg und der Grafschaft Vaduz durch das Fürstenhaus Liechtenstein
(1999 beziehungsweise 2012) oder zu zwei Jahrhunderten liechten-
steinischer Souveränität (2006). Es ist zu hoffen, dass auch die Erinne-
rung an die Gründung des Fürstentums Liechtenstein, die sich 2019
zum 300. Mal jährt, die historische Forschung beflügeln wird.
Zu denken ist schliesslich auch an die beiden Historikerkommis-
sionen, die der Staat in den letzten Jahren ins Leben gerufen hat. Beide
standen unter der (Co-)Leitung von Peter Geiger, waren auf mehrere
Jahre konzipiert und mit Personal und Sachmitteln gut ausgestattet.
Einerseits gab es die Kommission «Liechtenstein — Zweiter Weltkrieg»,
die im Nachgang zur schweizerischen Bergier-Kommission das Verhal-
ten Liechtensteins in der Zeit des Nationalsozialismus gründlich unter
die Lupe nahm und in mehreren Publikationen umfangreich abhan-
delte.?* Andererseits wurde eine bilaterale, liechtensteinisch-tsche-
chische Historikerkommission geschaffen, welche die vielfältigen Bezie-
hungen zwischen der Dynastie derer von Liechtenstein und den böhmi-
schen Ländern auf dem Gebiet der heutigen tschechischen Republik
untersuchte. Die Kommission, die auf liechtensteinischer Seite je zur
Hälfte vom Staat und vom Fürstenhaus getragen wurde, vermochte
einige jener Lücken zu schliessen, die insbesondere die Geschichte des
Hauses Liechtenstein aufwies.“ Hintergrund für die Einsetzung dieser
Historikerkommission war eine diplomatische Annäherung beider Staa-
ten, nachdem die Enteignung insbesondere des fürstlichen Besitzes
durch die Tschechoslowakei und die entsprechenden Restitutionsan-
sprüche gegenüber dem tschechischen Staat zu einer politischen Eiszeit
zwischen Liechtenstein und der Tschechoslowakei respektive der Tsche-
chischen Republik geführt hatten. Die Publikationen erschienen sowohl
auf Deutsch als auch auf Tschechisch.
Last but not least: Staatlich initiiert sind schliesslich auch die Schul-
bücher. Mit einem Geschichtsschulbuch lernen junge Liechtensteiner
und Liechtensteinerinnen die Geschichte und das Selbstverständnis ihres
23 Geiger et al., Fragen.
24 Geiger et al., Beziehungen.
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