Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Historikerkommissionen 
tersuchen seien, war zweifellos als Einschränkung gemeint. Die Regie- 
rung dachte nicht an eine Gesamtdarstellung der Geschichte Liechten- 
steins in der NS-Zeit, sondern an Einzelstudien, die die Forschungser- 
gebnisse von Peter Geiger vertiefen und nicht konkurrieren sollten.” 
Insofern dachte man auch in Liechtenstein an «komplementäre For- 
schung». Der ursprünglich vorgesehene Zeit- und Finanzrahmen (zwei 
Jahre und 2 020 000 Franken) erwies sich trotz solcher Einschränkungen 
als unhaltbar und wurde in zwei Schritten auf insgesamt 3 537 000 Fran- 
ken beziehungsweise dreieinviertel Jahre erhöht.”® Tatsächlich war es auf- 
grund der überschaubaren Verhältnisse in Liechtenstein möglich, sämtli- 
che noch vorhandenen Unterlagen zur Problematik zu überprüfen. Der 
damalige Aussenminister Ernst Walch stellte daher anlässlich der Präsen- 
tation des Schlussberichts am 15. April 2005 fest: «Sowohl der Staat als 
auch die Wirtschaft hatten ein besonderes Interesse an einer lückenlosen 
Aufarbeitung dieses Zeitabschnittes. Die Aufarbeitung der Vergangen- 
heit stärkt ein Land für die Bewältigung zukünftiger Probleme.» 
Die Forschungsergebnisse können hier nur ganz knapp resümiert 
werden. Die Historikerkommission lieferte keine Sensationen. Liechten- 
stein war «souverän, aber nicht unabhängig»,° es musste sich in vielem 
an schweizerische Vorgaben halten. Gegenüber Deutschland lavierte 
das Land und verhielt sich nach dem Prinzip business logic first.“ Etwa 
250 Flüchtlinge (meist Juden) fanden vorübergehend Zuflucht, «viele» 
wurden an der Grenze zurückgewiesen oder aus liechtensteinischem 
Gebiet zuriickgeschatft — Gesamtzahlen zu den abgewiesenen Flüchtlin- 
gen wollte die Historikerkommission nicht nennen, da die notwendigen 
Quellen fehlten. Nach ihrer Einschätzung handelte Liechtenstein aber 
trotz der restriktiven Massnahmen im internationalen Vergleich «relativ 
57 Darauf wird in Ziff. 1.3 des Mandats Bezug genommen: «Bereits vorgenommene 
oder laufende wissenschaftliche Forschungsarbeiten und deren Ergebnisse sind ein- 
zubeziehen.» Siehe Geiger u.a., Schlussbericht, S. 260. 
58 Siehe Geiger u. a., Schlussbericht, S. 19. 
59 Pressemitteilung der liechtensteinischen Regierung vom 15. April 2005. 
60 Formulierung von Peter Geiger anlässlich der Präsentation des Schlussberichts. 
Siehe Pressemitteilung der liechtensteinischen Regierung vom 15. April 2005. 
61 Helen B. Junz stellte fest, dass sich in der Schweiz die Haltung business logic first 
wie ein roter Faden durch Tausende von untersuchten Dokumenten durchzieht. 
Junz, Confronting Holocaust History. 
62 Geiger u.a., Schlussbericht, S. 117. 
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