Paul Vogt
Historikerkommission
der Republik Österreich
Wie die Schweiz hatte auch Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg
seine Rolle im Krieg nicht wirklich aufgearbeitet. Österreich sah sich bis
weit in die 1980er-Jahre als erstes Opfer des NS-Unrechtsstaats, da es als
erstes Land besetzt worden war. Erst mit der Waldheim-Affäre setzte ein
Umdenken ein. Die Forderungen nach Rückgabe von geraubten Gütern
und die halbherzigen und zögerlichen Entschädigungen nach 1945 führ-
ten zu vermehrter Kritik aus dem Ausland. Als Ende 1997 vier Kunst-
werke mit «schwieriger Vergangenheit» der Sammlung Leopold anläss-
lich einer Ausstellung in New York beschlagnahmt wurden, wuchs die
Bereitschaft in Österreich, den Umgang mit arisiertem Vermögen und
den Entschädigungen nach dem Krieg aufzuarbeiten.
Am 1. Oktober 1998 nahm die Bundesregierung die Einsetzung
einer Historikerkommission der Republik Österreich zur Kenntnis.!
Die schweizerische UEK, mit der gute Kontakte gepflegt wurden, diente
als Modell!® — es gab aber einige bemerkenswerte Unterschiede. Das
Mandat fokussierte auf die beiden Begriffe «Vermögensentzug» und
«Entschädigungen». Es lautete, «den gesamten Komplex Vermögensent-
zug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit so-
wie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche oder
soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945 zu erforschen und
darüber zu berichten.»
Die Kommission bestand aus sechs Mitgliedern, von denen der
Präsident Clemens Jabloner (damals Präsident des Verwaltungsgerichts-
hofes) und der Vizepräsident Lorenz Mikoletzki (damals Generaldirek-
tor des Österreichischen Staatsarchivs) von der Regierung berufen wur-
den. Bei der Auswahl von drei weiteren österreichischen Mitgliedern
wurden die wichtigsten Institutionen, die mit der Thematik befasst sind,
17 Formell wurde die Kommission durch den Bundeskanzler, den Vizekanzler und die
Präsidenten des Nationalrats und des Bundesrats eingesetzt. Siehe Jabloner u.a.
(Hrsg.), Schlussbericht, S. 18.
18 Ebenda, S. 42.
19 Zitiert nach ebenda, S. 19.
434