Carlo Moos
Zur Intention der in diesem Text
präsentierten Beispiele
Was wollen die beiden angeführten Beispiele im eben angedeuteten Kon-
text und auf einem Feld, das bisweilen einem Minenfeld gleicht, aufzeigen?
Im ersten Beispielfall habe ich mit Absonderung und Offenheit
zwei Grundmuster der jüngeren Schweizer Geschichte umschrieben.
Auf der einen Seite das Alpen- und Inselsyndrom. Es entwickelte sich
vom Abkapselungsbemühen der Sonderbündler, das die liberal-radika-
len Sieger in der Folge ihrerseits verinnerlichten, über die Igelmentalität
im Zweiten Weltkrieg zu den Abwehrmechanismen der späteren Jahr-
zehnte. In neuester Zeit führten sie zur Verwerfung des EWR-Beitritts
1992 mit allen sinistren Folgeerscheinungen, die sich aus der Notwen-
digkeit des bilateralen Wegs gegenüber der Europäischen Gemeinschaft
beziehungsweise seit 1993 gegenüber der Europäischen Union ergaben.
Wenn jetzt sogar der Bilateralismus verlassen werden soll, wie der letzte
Vorstoss der Rechtspopulisten verlangt, käme es zur bisher wohl funda-
mentalsten Herausforderung für alle Kräfte, die einem anderen Grund-
muster, jenem der Offenheit, folgen wollen.
Für die Offenheit als zweite Spielart einer Positionierung der Eid-
genossenschaft in der heutigen Welt sind in ihrer Geschichte wichtige
Vorreiter zu finden. So die geistige Elite der Aufklärung, die liberal-radi-
kalen Träger der Regeneration sowie die Protagonisten der Zeit unmittel-
bar nach dem Ersten Weltkrieg, als die Schweiz sogar einen eigenen Vor-
schlag für einen Völkerbund lancieren wollte, ihn aber, weil ihm wegen
des Misstrauens der Sieger gegenüber den Neutralen des Weltkriegs keine
Realisierungschance gegeben war, fallen lassen musste und dafür in den
neu gegründeten Wilson-Völkerbund eintrat. Dass zu dessen Sitz Genf
bestimmt wurde, war mit ein Grund, dass die Schweiz darin eine recht
bedeutende Rolle zu spielen vermochte, bis sie 1938 unter der Führung
von Bundesrat Giuseppe Motta zur integralen Neutralität zurückkehrte.
Diese hinderte sie nach dem Zweiten Weltkrieg daran, sofort (wie bei-
spielsweise Schweden) in die neue UNO einzutreten, während sie von
der Neutralität auch daran gehindert wurde, in den Entstehungsprozess
des Neuen Europa einzusteigen, von dem sie sich bis zum heutigen Tag
so fern wie möglich hält. Insgesamt scheint sich die Schweiz weiter im
von Friedrich Dürrenmatt vor zwanzig Jahren diagnostizierten Zustand
eines Landes zu befinden, dessen Bewohner Insassen und Wärter ihres
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