Günther Boss
kons für Theologie und Kirche findet sich im ersten Band von 1993 der
Eintrag «Antisemitismus», der aber direkt auf den Eintrag «Antijudais-
mus» verweist.” Nun sind aus einer Spalte rund sieben Spalten gewor-
den, und der Artikel unterscheidet präziser zwischen dem spezifisch
christlichen Antijudaismus und einem rassisch motivierten Antisemitis-
mus. Ausserdem findet sich 1993 neu das Stichwort «Auschwitz», des-
sen theologischen Teil Johann Baptist Metz verfasst hat. Er schreibt dort:
«Die Situation «nach Auschwitz» erfordert die Aufdeckung und Revision
jener verhängnisvollen Enterbungs- und Verdrängungsstrategien gegen-
über Israel, die die Geschichte des Christentums durchziehen.»
Nostra aetate als bleibende Herausforderung
Nostra aetate stellt ohne Zweifel einen Meilenstein im Dialog der Kirche
mit dem Judentum und den nichtchristlichen Religionen dar. Dennoch
sind auch immer wieder Rückschläge zu beobachten. So ist vielen Kir-
chenmitgliedern etwa gar nicht bekannt, dass das Konzil eine sehr posi-
tive Würdigung der Muslime vornahm und viele Gemeinsamkeiten
zwischen Christentum und Islam in Lehre und Ethik fand. Wer heute
unreflektiert vor einer «Islamisierung Europas» warnt, hat das Konzil je-
denfalls nicht auf seiner Seite.”
Auch im Verhältnis zum Judentum sind immer wieder Rückschläge
zu verzeichnen. So ist etwa durch das Motu Proprio Summorum Ponti-
ficum von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 die alte Form des römi-
schen Ritus wieder breiter zugelassen worden. Damit war zunächst
auch die unsägliche Karfreitagsfürbitte für die Perfidi Judaei wieder
35 Gerhard Dautzenberg et al., «Antijudaismus, Antisemitismus», in: Lexikon für
Theologie und Kirche, dritte Auflage, Bd. 1, Sp. 748-755.
36 Johann Baptist Metz, «Auschwitz II Theologisch», in: Lexikon für Theologie und
Kirche, dritte Auflage, Bd. 1, Sp. 1260-1261, hier Sp. 1261. Abkürzungen wurden
stillschweigend ausgeschrieben.
37 Siehe dazu Boss, Hochachtung für die Muslime.
38 Siehe Motu Proprio Summorum Pontificum über die ausserordentliche Verwendung
der alten Form des römischen Ritus, 7. Juli 2007, bei Hünermann (Hrsg.), Heinrich
Denzinger, Nummer 5109.
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