Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Fabian Frommelt 
Quantitative Annäherung 
Abschliessend sei eine quantitative Einschätzung des Anteils der Bür- 
gerlichen an der Gesamtbevölkerung versucht. In den liechtensteini- 
schen Volkszählungen'® wurden ab 1861 mit der Kategorie «Beruf oder 
Erwerb» Daten zur sozialen Schichtung erhoben.!*° Aufgrund methodi- 
scher Vorbehalte dürfen die nachfolgend dargestellten Zahlen jedoch nur 
als grobe Annäherung gelten.!” 
1868, am Beginn der Industrialisierung, wurden 23 «Geistliche», 
21 «Beamte» und 7 «Sanitätspersonen» gezählt. Rechnet man sie alle 
dem Bildungsbürgertum zu, umfasste dieses 51 Personen. Betrachtet 
man die 154 «Gewerbeleute» als Kleinbirger — in der Annahme, es 
handle sich um selbstständige, hauptberuflich im Gewerbe tätige Perso- 
nen —, ergeben sich insgesamt 205 Personen, die hier im weitesten Sin- 
ne als bürgerlich gelten sollen. Im Verhältnis zur Gesamtsumme von 
3811 männlichen Personen machten die so definierten 51 Bildungsbür- 
ger gerade einmal 1,3 Prozent, die 154 Kleinbürger 4,0 Prozent und 
beide Gruppen zusammen 5,3 Prozent aus.'* Dieser Wert lag am unte- 
ren Rand der im 19. Jahrhundert üblichen Grössenordnung: Nach 
Gunilla Budde stellte das Bürgertum in Deutschland «je nach Schät- 
zung» eine Minderheit von 5 bis 15 Prozent dar.'* 
145 Siehe Paul Vogt, «Volkszählung», in: HLFL, S. 1022. 
146 Siehe Wohnbevölkerung — Volkszählungen 1812-1930, S. 4-24: Daten der Volks- 
zählungen von 1861, 1868, 1874, 1880, 1885, 1891, 1901 und 1911. 
147 Die methodischen Probleme können an dieser Stelle nicht im Einzelnen erörtert 
werden. Sie ergeben sich aus unklaren Begriffen und wechselnden Kategorien sowie 
aus der Begrenzung der Kategorie «Beruf oder Erwerb» auf die «Einheimischen». 
148 Die 1208 «Grundbesitzer» (31,7 Prozent) werden als Bauern interpretiert (so auch 
bei Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 83-84). Dazu kamen 957 landwirtschaftliche 
(25,1 Prozent) und 776 gewerbliche (20,4 Prozent) «Hilfsarbeiter»; die «Hilfsarbei- 
ter» (wohl Gesinde und Angestellte) machten zusammen die grösste Bevölkerungs- 
gruppe aus. Die als «Unterschicht» interpretierten 361 «Tagelöhner», 122 «anderen 
Diener» und 162 «sonstigen Mannspersonen» zählten gemeinsam 645 Personen 
oder 16,9 Prozent. Die 20 «Militär»-Personen entsprachen einem Anteil von 
0,5 Prozent. — Eine gleiche Verteilung der in diesen Zahlen nicht berücksichtigten 
Frauen und Kinder auf die genannten sozialen Gruppen vorausgesetzt, widerspie- 
geln diese Verhältniszahlen annäherungsweise die Schichtung der Gesamtbevölke- 
rung. 
149 Budde, Blütezeit, S. 5. 
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