Bürgertum im Bauernland
sen.?! Wie bei «Ausbürger» handelte es sich dabei um eine primär recht-
liche, nicht um eine soziale Kategorie. Im Unterschied zu den romani-
schen und den angelsichsischen Sprachen, die zwischen citoyen/ citizen
und bourgeois unterscheiden, umfasst der deutsche Begriff «Birger»
sowohl die Inhaber von Burgerrechten, also die Gemeinde- und die
Staatsbürger, wie auch die «Angehörigen einer sozialen Formation».?
Der Begriff des Staatsbürgers* wurde in Liechtenstein schon mit
der Rezeption des österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbu-
ches (ABGB) 1812 eingeführt.” Mit dieser Übernahme ausländischen
Rechts verschwand der Begriff des «Untertans» jedoch noch lange nicht
aus der liechtensteinischen Rechtsordnung.” Vielmehr blieb er im spät-
absolutistisch regierten Land eine gesellschaftliche Leitvorstellung der
Obrigkeit. Diese unternahm mit dem Freizügigkeitsgesetz von 1810
zwar den Versuch einer Vereinheitlichung der Gesellschaft, aber nur was
das Verhältnis zwischen Gemeindebürgern und den Hintersassen anbe-
langte.? Die 1818 von Fürst Johann I. oktroyierte Landständische Ver-
fassung aber hielt nicht nur am Begriff des «Unterthans» fest ($ 4), son-
dern auch am Ideal der ständischen Gesellschaft: Im «Ständelandtag»
waren die Geistlichkeit als erster und die «Landmannschaft» als zweiter
«Stand» vertreten, diese repräsentiert durch die Gemeindevorsteher und
die Sickelmeister (§§ 2—4).7
21 Die Beispiele aus LI LA, AS 1/3, Verhortagsprotokoll der Grafschaft Vaduz, Ein-
trige vom 18. Dezember 1706 (fol. 85r) und 9. April 1707 (fol. 112v), AS 1/5, Ver-
hortagsprotokoll, Eintrag vom 20. August 1709 (fol. 46v).
22 Siche Budde, Bliitezeit, S. 5.
23 Zur Geschichte des Biirgerrechts siehe Ospelt, Biirgerrecht; Biedermann, «Aus
Überzeugung ...>.
24 § 28 ABGB: «Den vollen Genuf der bürgerlichen Rechte erwirbt man durch die
Staatsbiirgerschaft» (LI LA, DS 100/1811/01).
25 Siehe etwa LI LA, SgRV 1843, Verordnung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft
vom 15. Januar 1843 (Verordnung betreffend die «künftigen Aufnahmen von Aus-
ländern in den fürstlichen Unterthansverband»). Aus dem Gemeindegesetz ver-
schwand der Begriff erst 1864 (siche Karl Heinz Burmeister / Ralph Wanger/Bernd
Marquardt, «Bürgerrecht», in: HLFL, S. 132-134, hier S. 133).
26 LILA, RB G1 1810, Freizügigkeitsgesetz vom 22. Juni 1810. Das Gesetz sah die
freie Niederlassung der Landesbürger in allen Gemeinden und den einkaufsfreien
Zugang zu den kommunalen Nutzungsrechten vor, siehe Biedermann, «Aus Über-
zeugung ...», S. 62-66.
27 LILA, SgRV 1818, Landstindische Verfassung vom 9. November 1818. Siehe Qua-
derer, Geschichte, S. 16-30.
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