Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Martina Sochin D’Elia 
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums regte sich aber auch Kritik aus der 
Schweiz. Der St. Galler CVP-Nationalrat Edgar Oehler hatte mit einem 
Postulat angeregt, die zwischenstaatlichen Beziehungen zu überprüfen. 
Obwohl das Postulat in Liechtenstein grundsätzlich mit «Befremden» 
zur Kenntnis genommen und als «freundnachbarlicher Seitenhieb» ver- 
standen wurde, waren sich die Redaktoren der beiden Landeszeitungen 
einig, dass es auch Gelegenheit biete, sich bewusst zu werden, welche 
Vorteile aus den Beziehungen zur Schweiz resultierten. Liechtenstein sei 
zweifellos etwas bequem geworden im «Schlepptau des grossen Bru- 
ders», der einem in mancherlei Hinsicht das Denken abgenommen habe. 
Und, «den rauhen Ton aus St. Gallen haben wir ungern vernommen, 
aber er könnte zweifellos dazu beitragen, uns auf eine neue Standortbe- 
stimmung zu besinnen».* 
Die Ausführungen zeigen: Die Geschichte vom kleinen und vom 
grossen Bruder hat sich gewandelt. Während sie anlässlich des 25-jähri- 
gen Jubiläums konstruiert und anlässlich des 50-jährigen Jubiläums wie- 
derholt bemüht wurde, kam sie 1998 beim 75-Jahr-Jubiläum nur noch 
abgeschwächt und verklausuliert zum Tragen. Liechtenstein ist im 
Gegensatz zur Schweiz im Mai 1995 dem EWR beigetreten. Die Anspra- 
chen zum 75-jährigen Zollvertragsjubiläum — namentlich von Fürst 
Hans-Adam II. und von Landtagspräsident Peter Wolff — hatten denn 
auch eine doppelte Botschaft. Da war erstens der Dank Liechtensteins an 
den «grossen Bruder», den EWR-Beitritt unter gleichzeitiger Wahrung 
des Zollvertrags — die sogenannte doppelte Verkehrsfihigkeit — ermog- 
licht zu haben, und zweitens der Hinweis, dass der kleine Bruder zwi- 
schenzeitlich (auch) erwachsen geworden sei und der Hilfe der Schweiz 
nicht mehr im gleichen Masse bedirfe.*” Die zunehmende Integration 
48 N. N., «Freundnachbarlicher Seitenhieb», in: Liechtensteiner Vaterland, 24. Mirz 
1973, S. 1; wbw [Walter Bruno Wohlwend], Überprüfung der Beziehungen 
Schweiz-Liechtenstein!, in: Liechtensteiner Volksblatt, 22. März 1973, S. 1. Zum 
Postulat Oehler siehe Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften, 
Postulat Oehler. Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein, in: Amtliches Bulle- 
tin der Bundesversammlung 1973, S. 336-337; Schweizerisches Bundesarchiv, Digi- 
tale Amtsdruckschriften, Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung iiber 
die Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein (Vom 21. Dezember 1973), in: Bun- 
desblatt, Bd. 1, Heft 5, 1974, S. 161-189. 
49 Siehe Fürst Hans-Adam II., «Unsere guten Beziehungen werden alle Veränderun- 
gen überleben», in: Liechtensteiner Vaterland, 11. Mai 1998, S. 5; Peter Wolff, «Tief 
verwurzeltes Vertrauen», in: Liechtensteiner Vaterland, 11. Mai 1998, 5. 6. 
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