Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Die europäischen Christlichdemokraten 
Im Fall der Schweizer Partei ist die organisatorische Kontinuität trotz 
der vielen Namensänderungen unbestreitbar. Seit dem 19. Jahrhundert 
versuchte die Partei, in der religiös fragmentierten Schweiz den konfes- 
sionellen Graben zu überwinden. Obwohl sie in der zweiten Hälfte des 
20. Jahrhunderts Schritt für Schritt die institutionellen und ideologi- 
schen Verbindungen mit dem Katholizismus lockerte und diese 1970 
endgültig aufgab, blieb sie im katholischen Ghetto stecken. Bis in die 
1950er-Jahre waren die Vorgängerinnen der CVP katholische Milieupar- 
teien, die in einer katholischen Sondergesellschaft verankert waren. 
Allerdings besassen in der Partei die Laien die Führung, der Klerus 
spielte eine untergeordnete Rolle, was mit den demokratischen Traditio- 
nen der Schweiz zu erklären ist. Insofern war die Schweizer Partei laika- 
ler (nicht laizistischer) als ihre katholischen Schwesterparteien in 
Europa, in denen Pralatenpolitiker die Regel waren. Da der Kultur- 
kampf als Integrations- und Mobilisationsfaktor seit den 1880er-Jahren 
langsam abflaute, fokussierte sich das konfessionelle Hauptpostulat auf 
die Abschaffung der diskriminierenden Ausnahmeartikel wie das Jesui- 
tenverbot.” Mit der fortschreitenden Integration der kirchentreuen Ka- 
tholiken in den Bundesstaat verlor dieser konfessionspolitische Impuls 
seine Schub- und Inklusionskraft. 
Bereits im 19. Jahrhundert verstand sich die Partei als politische 
Partei, die jenseits der Kirchenpolitik ein politisches Programm besass. 
Allerdings teilte die Partei mit den Gruppierungen konservativer Obser- 
vanz die ständige Suche nach den Fundamenten des politischen Konser- 
vativismus, was zu Flügelkämpfen führte. In der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts stand der Kampf für den Föderalismus, in der Zwi- 
schenkriegszeit jener gegen den Kommunismus und Staatssozialismus 
und nach 1945 der Weg zum sozialen Wohlfahrtsstaat im Vordergrund. 
Unter dem Slogan des «christlichen Solidarismus» suchten die Vorgän- 
gerparteien der CVP einen dritten Weg zwischen dem individualisti- 
schen Liberalismus und dem kollektivistischen Sozialismus. In den 
1920er- und 1930er-Jahren sprach die Partei ohne konkretisierte Pro- 
  
Ghetto; Altermatt, Katholizismus und Moderne; Altermatt, Konfession, Nation 
und Rom. 
9 Die diskriminierenden Ausnahmeartikel wurden erst 1973 durch Volksabstimmung 
abgeschafft. 
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