Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Die europäischen Christlichdemokraten 
Rechtsdiktaturen regiert worden waren, nicht Fuss fassten. In diesen 
Ländern war die katholische Kirche zu sehr mit den autoritären Regimes 
verbandelt gewesen, als dass Parteien mit christlichem Hintergrund 
glaubwürdig erschienen wären. Auch in Osteuropa waren die demokra- 
tischen Strukturen durch die lange kommunistische Herrschaft derart 
zerstört, dass sich in der Transformationsphase nach 1989 nationalisti- 
sche, liberale, konservative und sozialistisch-altkommunistische Parteien 
formierten. Obwohl die katholische Kirche über die Solidarnosc-Bewe- 
gung im Kampf für Religionsfreiheit, Menschenrechte und Demokratie 
in Polen eine entscheidende Rolle spielte, entstand keine christlichde- 
mokratische Partei westlichen Musters. 
Ihre Glanzzeit erlebten die Christlichdemokraten in den drei Jahr- 
zehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Von 1945 bis 1965 errangen sie 
Wahlerfolge, die sie später nicht mehr zu wiederholen vermochten. In 
den Niederlanden erhielten die drei christlichen Parteien 1948 insgesamt 
53,4 Prozent der Wählerstimmen, in Österreich kam die ÖVP 1966 auf 
48,35 Prozent, in Belgien erreichten die flämischen und wallonischen 
Christlichdemokraten 1950 47,7 Prozent, in Italien errang die Democra- 
zia Christiana 1948 48,5 Prozent und in der Bundesrepublik Deutsch- 
land erzielte die CDU/CSU 1957 sogar die absolute Mehrheit von 
50,2 Prozent.* 
Transformation zu bürgerlich- 
konservativen Volksparteien 
In den meisten Kernländern der Europäischen Union knüpften die 
Christlichdemokraten nach der Meinung von Parteihistorikern wie Win- 
fried Becker, Urs Altermatt, Emiel Lamberts oder John S. Conway an 
frühere katholische Parteien an, die sich zum Teil schon vor 1945 als lai- 
kale Parteien begriffen, aber in der Wirklichkeit stark mit der katholi- 
schen Kirche verbunden blieben. In den 1960er-Jahren begannen sich im 
Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) diese Par- 
teien und der politische Katholizismus zu entflechten. Das interkonfes- 
  
4 Verschiedene Statistiken geben dazu jeweils leicht andere Zahlen wieder, ändern 
diesbezüglich aber nichts an der Grundaussage. 
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