Zur Herkunft des Landesverwaltungspflegegesetzes
$ 4 Ve-1914 so stark, dass es sich um eine Rezeption handeln dürfte. Und
Art. 31 Abs. 3 LVG ähnelt in seinem Inhalt $ 4 Abs. 3 Satz 1 Ve-1913,
indem beide für die Beurteilung der Handlungsfähigkeit von Parteien
auffallend ähnlich auf das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB)
verweisen. Von wörtlicher Übereinstimmung mit dem Landesverwal-
tungspflegegesetz kann jedoch bei beiden Parallelnormen in den Vorent-
würfen von 1913 und 1914 keine Rede sein.
Im Ergebnis: Obwohl sich zwei Absätze von Art. 31 LVG tatsäch-
lich eng an (Teil-)Bestimmungen in den österreichischen Vorentwürfen
von 1913 und 1914 anlehnen, bleibt für die restlichen fünf Absätze,
darunter den entscheidenden Abs. 1, die Herkunft völlig offen. Bemer-
kenswert ist Folgendes: Die Formulierung des späteren $ 8 AVG findet
sich im Vorentwurf von 1913” wörtlich wieder und ist gewissermassen
das Kondensat daraus.
Beweiswürdigung
Art. 79 LVG normiert ausführlich die Beweiswürdigung im Ver-
waltungs(beschwerde)verfahren. Unterzieht man diese Bestimmung
dem Vergleich mit den einschlägigen Normen der Vorentwürfe,”® lässt
sich keinerlei nennenswerte Übereinstimmung erkennen. Ebenso wenig
zeigt sich eine solche zu $ 45 Abs. 2 AVG, abgesehen von der gleichen
Wortfolge «nach ihrer freien [...] Überzeugung» beziehungsweise «nach
freier Überzeugung». Diese bekannte Wendung verweist allerdings noch
auf eine weitere Quelle: die berühmte, von Franz Klein ausgearbeitete
österreichische Civilproceßordnung von 1895 (Ö-CPO),” die in der
liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912 (FL-ZPO)* in gros-
sen Teilen wortlich rezipiert worden ist.>! Die (freie) Beweiswirdigung
war in § 272 O-CPO geregelt und wurde nahezu wortgleich in § 272 FL-
ZPO übernommen. Und tatsächlich weist Art. 79 Abs. 1 LVG in Arran-
27 §4 Abs. 2 Satz 1 und § 12 Abs. 1 Ve-1913.
28 §24 Ve-1913; §§ 314-346 Ve-1914; § 2 Abs. 2 Ve-1919.
29 Gesetz vom 1. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten (Civilproceßordnung), RGBI. 1895 Nr. 113.
30 Gesetz vom 10. Dezember 1912 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung), LGBl. 1912 Nr. 9/1.
31 Schidler, Prozessokonomie, S. 365-366 und (zusammenfassend) S. 526, je mit wei-
teren Hinweisen.
169