Emanuel Schädler
kann jedoch insofern unbequem sein, als sie ein inhaltlich positives,
womöglich erwünschtes (aber eben leider fehlerhaftes) Ergebnis
umstürzt und durch ein inhaltlich negatives, im Extremfall völlig offenes
Ergebnis («X ist nicht y.») oder durch eine blosse Fragestellung («Aber
was ist X dann?») ersetzt. Das ist unter Umstinden ein bedauerlicher
Tausch. Dennoch gebietet es die wissenschaftliche Redlichkeit und der
Dienst an der Wahrheit, gegebenenfalls mit aller Konsequenz bestehende
Rekonstruktionen auf Fehlvorstellungen hin zu überprüfen: Wissen-
schaftlich ist ein richtiges negatives Ergebnis einem falschen positiven
Ergebnis in jedem Falle vorzuziehen!
In diesem Sinn unternimmt der vorliegende Beitrag in kleinem
Rahmen den Versuch einer derartigen überprüfenden Rekonstruktion:
Es soll der Nachweis erbracht werden, dass die heute in der einschlägi-
gen Literatur gängige Vorstellung der Herkunft des Landesverwaltungs-
pflegegesetzes zumindest in Teilen unzutreffend ist und es diesbezüglich
folglich einer neuen Untersuchung und Bewertung bedarf.
Herkunft des Landesverwaltungspflegegesetzes
Bisherige Rekonstruktion
Es steht fest, dass Wilhelm Beck das liechtensteinische Landesverwal-
tungspflegegesetz! (LVG) von 1922 ausgearbeitet hat.? Ebenso steht fest,
dass er dabei ausländisches Recht als Vorlage zurate zog und sich dessen
als Rezeptionsvorlage bediente. Wie Wilhelm Beck nämlich im zugehö-
rigen Kommissionsbericht (veröffentlicht in den Oberrheinischen
Nachrichten) schreibt, hat er «beabsichtigt, nur Gutes und Bewährtes
vor allem aus deutschen einzelstaatlichen, schweizerischen und österrei-
chischen Verhältnissen und in einer für unsere Behörden und das Land
1 Gesetz vom 21. April 1922 über die allgemeine Landesverwaltungspflege (die Ver-
waltungsbehörden und ihre Hilfsorgane, das Verfahren in Verwaltungssachen, das
Verwaltungszwangs- und Verwaltungsstrafverfahren), LGBl. 1922 Nr. 24; im Fol-
genden wird stets auf die Stammfassung des Inkrafttretens am 12. Juli 1922 Bezug
genommen.
2 Schädler, Verständnis, S. 21 mit weiteren Nachweisen.
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