Herbert Wille
steht. Politische Gemeinde und Pfarrgemeinde werden aufgrund der
konfessionellen Verhältnisse, das heisst der ausschliesslich katholisch
geprägten Bevölkerung, als Einheit betrachtet.“ Daraus folgt, dass es
sich bei der Pfarrgemeinde nicht um ein von der politischen Gemeinde
verschiedenes Rechtsinstitut handelt. Sie erlangte keine rechtliche Ver-
selbstständigung. Es kommt ihr mit anderen Worten keine rechtliche
Existenz zu.“
Das Gesetz über die Verwaltung des Kirchengutes in den Pfarrge-
meinden verweist in Art. 5 auf die bischöfliche Ordinariatsverordnung
vom 20. Jänner 1866 über die Führung der Kirchenrechnungen, die auf
Ansuchen der Pfarrgeistlichkeit und der Regierung erlassen wurde.“ Es
ist davon auszugehen, dass der Erlass des Gesetzes in Absprache mit
dem bischöflichen Ordinariat erfolgt ist,*® wie sich dies auch aus der Ver-
ordnung der Regierung vom 21. Oktober 1887 betreffend die Kirchen-
rechnungslegung ergibt.“ Es ist nach wie vor in Kraft und stellt im Sinne
der geltenden Verfassung von 1921 insoweit das «besondere Gesetz» dar,
das die Verwaltung des Kirchengutes in den Kirchgemeinden regelt.”
Das kommunale Kirchenvermögen, zu dem auch das Pfrundgut
gehört, behandelt der staatliche Gesetzgeber als zweckgebundenes Ver-
waltungsvermögen der Gemeinde,” das für gemeindliche Belange be-
lastet werden konnte, wenn der Seelsorgegeistliche als Nutzniesser ein
45 Siehe $ 83 Gemeindegesetz 1864, LGBI. 1864 Nr. 4, in Verbindung mit Gesetz vom
14. Juli 1870, LGBI. 1870 Nr. 4, und $ 2 Gesetz vom 12. Februar 1868 über die Re-
gelung der Baukonkurrenzpflicht bei vorkommenden Kirchen- und Pfrundbaulich-
keiten, LGBl. 1868 Nr. 1; siehe auch Ospelt, Pfarrei — Gemeinde — Pfarrgemeinde,
S. 128.
46 Schidler, Thitgkeit, S. 163, spricht von einer «Pfarrgemeinde im Sinne des Ge-
meindegesetzes».
47 Siehe Wille, Staat und Kirche, S. 487-488, wo das Dekret im Wortlaut wiedergege-
ben wird.
48 Siehe Schidler, Thitigkeit, S. 163.
49 Siehe Anm. 27. Dort heisst es, dass sich die fürstliche Regierung mit dem hochwür-
digsten bischöflichen Ordinariat in Chur wegen Einführung zweckdienlicher For-
mularien geeinigt habe.
50 Zum Werdegang des Art. 38 zweiter Satz LV 1921 siehe Quaderer-Vogt, Bewegte
Zeiten, Bd. 3, S. 304-305 und Anm. 909 auf S. 633-634, und Ospelt, Kirche, S. 133.
51 Siehe Art. 72 Abs. 1 lit. a Gemeindegesetz 1959, LGBI. 1960 Nr. 2. Zum Kirchen-
und Pfrundvermögen siehe Ospelt, Pfarrei - Gemeinde — Pfarrgemeinde, S. 126, 138.
114