Volltext: Was will Liechtenstein sein?

3. Der Faktor Mensch: Man soll sich nicht vorstellen, als träfen an den Sitzungen Karosserien von der Grösse eines jeden Landes aufeinander. Im Falle der EG ist indessen die sehr gewichtige Kommission zu beach- ten und ein Draht in deren Zentrale wichtig. Letztlich aber entsteigen den grossen wie kleinen Karosserien immer Einzelmenschen, zwischen 1.65 bis 1.85 m, ein Helmuth, ein René oder Hans, mit vergleichbaren menschlichen Erfahrungen, mit Rücksichtnahmen und Freundschaften. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Macht und Interesse sind nach wie vor ganz wesentliche Faktoren, aber relativierte. Denn immer sind es Menschen, die einander gegenübersitzen. Es mochte in letzter Zeit über- raschen, dass ausgerechnet auch Kleinere die EG beisammenhalten wol- len und eine Rückkehr zum Europa der Vaterländer, sprich: der Macht- politik der Grossen, ablehnen. 4. noch das liechtensteinische Paradox – oder die Stärke der Schwäche. Zuerst negativ: Starke mögen einander bekämpfen, ja aufs Kreuz legen. Wenn der Stärkere den Schwächsten aufs Kreuz legt, dann stört etwas. Da gibt es eine Hemmung. Positiv: Man kann dem sehr Kleinen gewo- gen sein und helfen, ohne den eigenen Interessen zu schaden. Wenn die- ser die anderen nicht durch besonderen Egoismus reizt und grundsätz- lich solidarisch ist, ist das Dazugehören ein Schutz, denn er kann seine Sonderlage fortwährend erklären. Interessant ist, dass es Liechtenstein als einzigem Land im EWR-Verbund gelungen ist, eine Reviewklausel (für die Zeit nach der Übergangsfrist für Personenfreizügigkeit) zu er- halten. Wir können da Vertrauen in die Zukunft haben. Und auch etwas Selbstvertrauen. «Wir sollten den aufrechten Gang nicht verlieren», schreibt Georg Malin. «Wenn Kleine sich bücken, ver- schwinden sie.» Die Grössenverträglichkeit ist auch eine Frage des Wol- lens. Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir stellvertretend für etwas stehen, die alte europäische Kategorie Kleinstaat, eine seit den Griechen (neben den Grossen) bestehende staatliche Kategorie. Wenn Liechtenstein sich nicht mehr ängstigt, braucht niemand mehr Angst zu haben vor Europa. Daneben die Kategorie Menschlichkeit einbringen – manchmal habe ich da meine Zweifel. Schliesslich die privilegierte Stellung im Bodensee- raum als einziger Staat mit seinen Grenzen innerhalb dieses Raumes wahrnehmen. Wenn die Schweiz den EWR ablehnt, bleiben wir mit ihr womög- lich im Abseits. Wir fallen wieder aus dem Kreis des EWR-Verbandes 152Texte 
aus dem Nachlass von Gerard Batliner
	        

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