Institutionen, seine geistigen Züge und Ziele? Auch von aussen, von den Stätten internationaler Zusammenkünfte sind Entscheide über unseren Kurs gefragt. Wir können uns nicht verstecken und anderen nichts vor- machen. Auf der Suche nach unserer Identität bin ich auf
vierMerkmale ge- stossen. Ich möchte die
Identitätsmerkmalekurz bezeichnen, bevor ich auf einzelne Fragen eingehe. Erstes Merkmal unserer Identität: unsere Bevölkerung. Ich meine die Bevölkerung, die auf diesem Platz des Globus beheimatet ist und nir- gendwo sonst. Ich meine die Geschichte nur dieser Bevölkerung, ihrer Vorfahren, ihre gegenwärtige Zusammensetzung. Diese konkrete Bevöl- kerung ist die unsrige. Zweites Merkmal der Identität: unser Territorium, ziemlich genau am 47. nördlichen Breitengrad unserer Erde und zwischen dem 9. und 10. Längengrad östlich von Greenwich situiert, mit 160 km2Fläche. Die- ses eine, dreiecksförmige Territorium ist das unsrige, niemandem sonst gehörig, ist der uns anheimgestellte Ausschnitt der Erdoberfläche mit seiner Landschaft. Drittes Identitätsmerkmal: unsere eigenen Institutionen, wie sie nur uns zustehen und für uns da sind, gewollt, gemacht oder gewachsen: die Monarchie, die demokratischen Einrichtungen, die Parteien, die Kir- che, die Wirtschaft, das Recht, aber auch die geistige Verfasstheit und die Ziele unseres Volkes. Nicht dass anderswo ähnliche oder andere Ein- richtungen bestünden, ist das Entscheidende, sondern, dass unsere Ein- richtungen eben die unseren sind, von uns und von niemandem sonst verwaltet, gepflegt, benutzt, gelebt. Ein viertes Identitätsmerkmal, ein sozusagen negatives, ist, worauf Arno Waschkuhn aufmerksam macht, für Liechtenstein auszumachen: die Realität der Grenze. Robert Allgäuer schreibt, Liechtenstein sei eine «Addition von Grenzen». Das gilt rein äusserlich: überall die Landes- grenzen. Es gilt im Inneren: Der «Mangel an Stoff und Kraft», wie der erste Landtagspräsident Karl Schädler diese innere Grenze identifiziert hat, begleitet unser tägliches Leben. Und so ist dieses Merkmal des Man- gels eine Eigenschaft, die allen anderen Merkmalen, der Bevölkerung, den Institutionen, dem Territorium innewohnt. Ein Grossteil unserer Probleme rührt daher, dass wir die Grenzen nicht mehr wahrhaben wol- len. Wir haben die Not, die uns täglich an unsere Grenzen erinnert, hin- ter uns gelassen und sind froh, endlich keine oder wenig Grenzen be- 122Texte
aus dem Nachlass von Gerard Batliner