Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

Dies galt zunächst einmal für das Willkürverbot selbst, indem sich der Staatsgerichtshof nunmehr zu einem objektiven Willkürbegriff be kannte, was auch prompt zur ersten Aufhebung einer Entscheidung des Obers ten Gerichtshofes führte.17Der damalige Präsident des Obersten Gerichts - hofes, der renommierte österreichische Zivilrechtler Franz Gschnitzer, soll ob diesem Affront sogar den Rücktritt von seinem Rich ter amt erwogen haben.18Inzwischen ist die Aufhebung von Ent schei dun gen des Obersten Gerichtshofes durch den Staatsgerichts hof wegen objek tiver Willkür im übrigen durchaus nichts Ausserge wöhn liches mehr.19 Praktisch gleichzeitig mit der ersten Aufhebung eines Urteils des Obersten Gerichtshofes wegen Verstosses gegen das Willkürverbot be - gann der Staatsgerichtshof auch die Prüfung der Zulässigkeit von gesetz - 69 
Schwerpunkte in der Entwicklung der Grundrechtssprechung 17StGH-Entscheidung 1961/1; unveröffentlicht, jedoch auszugsweise abgedruckt in Stotter, S. 41 f. Nr. 16a; siehe hierzu auch StGH 1998/44, Jus & News 1999/1, 28 (38 Erw. 4.5); wie die in FN 10 erwähnte Entscheidung zeigt, kam es jedoch auch später noch zu «Rückfällen» in ein subjektives Willkürverständnis. Erst kürzlich hat sich der Staatsgerichtshof beim grundrechtlichen Anspruch auf Begründung gemäss Art. 43 LV ebenfalls zu einem rein objektiven Prüfungsmassstab bekannt; siehe StGH 1998/44, a.a.O., mit Verweis auf StGH 1995/21, LES 1997, 18 (27 Erw. 42); vgl. dagegen aber noch Höfling, S. 240, und die dortigen Rechtsprechungshinweise. 18Kohlegger, S. 74 FN 143; vgl. auch Batliner, S. 113. 19Erst kürzlich hat der Staatsgerichtshof wieder auf diese erste Aufhebung einer OGH- Entscheidung Bezug genommen und dabei den objektiven Charakter des Willkür be - grif fes in Erinnerung gerufen. Er hat dabei betont, dass die Qualifizierung einer Entscheidung als «willkürlich» keineswegs den Vorwurf beinhalte, die entscheidende Behörde habe sich bewusst und gewissermassen «böswillig» über klares Recht hinweg - gesetzt. Aus dieser Erkenntnis zieht der Staatsgerichtshof dann mit den Worten des Lausanner Verfassungsrechtlers Pierre Moor den tröstlichen Schluss, «dass alle jene Behör den, welche früheroder später mitansehen müssen, dass eine ihrer Entschei dun - gen als willkürlich qualifiziert wird, die Angelegenheit mitphilosophischer Gelas sen - heit zur Kenntnis nehmen; und dass die von ihrer Entscheidung Betroffenen darin nicht den schlüssigen Beweis dafür sehen, dass sie Tyrannen unterworfen seien, welche es umgehend zu stürzen gelte» (StGH 1998/44, Jus & News 1999/1, 28 [38 Erw. 4.5] mit Verweis auf Moor, S. 606; vgl. hierzu auch Kohlegger, S. 74 f.). In diesen selbstiro ni - schen Kontext passt im übrigen der kürzliche Hinweis des Staatsgerichtshofes, dass sich auch Höchstgerichte irren können – wobei er nicht nur den von der Ent schei dung be- troffenen Obersten Gerichtshof, sondern sehr wohl auch sich selbst meinte: Unter Verweis auf ein Bonmot des amerikanischen Supreme Court-Richters Robert Jackson hat er nämlich festgehalten, dass Höchstgerichte nicht deshalb letzt instanz lich ent- schieden, weil sie unfehlbar seien; vielmehr seien sie faktisch unfehlbar, weil sie letztin- stanzlich entschieden (StGH 1997/3, LES 2000, 57 [62 Erw. 4.6]; das Original zitat stammt aus Brown v. Allen 344 U.S. 443, 540 [1953] [concurring opinion]). Dass der Staatsgerichtshof neuerdings zu solch gelassener Selbstreflexion fähig ist, ist nicht selbstverständlich; mit etwas mehr hiervon hätte jedenfalls die gar nicht so lange zu - rück liegende Staatsgerichtshofkrise im Zusammenhang mit den Aus ein ander setzungen um das seinerzeitige Kunsthaus-Projekt wesentlich besser ge meis tert werden können (ausführlich hierzu Hoch, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 14 ff.).
	        

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