Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

Geschlechtergleichheit gesehen werden könne.177Auf diese Weise rekla- miert der Staatsgerichtshof für sich selber einen Gestaltungsspielraum und kann, nachdem er sich nun einmal an die Stelle des Verfassungs ge - setz gebers gesetzt hat, sagen, dass in der Rechtsanwendung eine «gleich- heitsgemässe» Entscheidung bei verfassungskonformer Interpretation178 nichts anderes bedeute, als dass sich der Bürger und die Bürgerin sofort auf den Geschlechtergleichheitsgrundsatz als verfassungsmässig gewähr- leistetes Recht berufen könnten, d.h. ohne eine Gesetzesänderung bzw. die entsprechende gesetzgeberische Anpassung des geltenden Rechts ab- warten zu müssen. Der Staatsgerichtshof tritt hier in der Rolle eines Er - satz gesetzgebers auf, die ihm von seiner Funktion und Stellung als Gericht im Verfassungsgefüge nicht zugewiesen ist, auch dann nicht, wenn das (rechtspolitische) Engagement des Gesetzgebers seinen Vor - stel lungen nicht entsprechen sollte. bb) Ungeschriebenes Verfassungsrecht Der Staatsgerichtshof wird bisweilen auch «schöpferisch und verfas- sungsgestaltend» tätig,179wenn er ungeschriebenes Verfassungsrecht kreiert und das Willkürverbot, das «unzweifelhaft zum unverzichtbaren Grund bestand des Rechtsstaates» gehört, zum ungeschriebenen Grund - recht erklärt.180Dabei behält er sich vor, weitere für den Einzelnen «fun- damentale, im Verfassungstext nicht erwähnte Rechtsschutzbedürfnisse direkt als ungeschriebene Grundrechte» anzuerkennen. Der Staatsge - 52Herbert 
Wille 177StGH 1991/14, Urteil von 23. März 1993, LES 3/1993, S. 73 (76); vgl. zur späteren Motion, mit der der Landtag die Regierung verpflichtet hatte, bis spätestens Dezember 1996 die entsprechenden Gesetzesänderungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 31 Abs. 2 LV) dem Landtag in Vorschlag zu bringen, StGH 1996/36, Urteil von 24. April 1997, LES 4/1997, S. 211 (212 f. und 215), wo der Staatsgerichtshof festhält, dass die vom Landtag gesetzte – und inzwischen abgelaufene – Frist bis Ende 1996 zur Behebung der in zahlreichen Gesetzen bestehen- den verfassungswidrigen Differenzierungen zwischen den Geschlechtern die Durchsetzung dieser Verfassungsbestimmung durch den Staatsgerichtshof im Rahmen der ihm vor Ablauf dieser Frist zur Beurteilung vorgelegten Beschwerdefälle nicht ge- hindert habe. 178Wenn man sie hier als «spezifisches Interpretationsmodell» (so Höfling, Die liechten- steinische Grundrechtsordnung, S. 45 f) versteht, würde die verfassungskonforme Aus - le gung für den Verfassungsgesetzgeber, d.h. das Verfassungsgesetz, sprechen. 179Kley, S. 256; vgl. für das schweizerische Bundesgericht siehe Müller, S. 68 f. 180StGH 1998/45, Urteil vom 22. Februar 1999, LES 1/2000, S. 1 (6).
	        

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