Volltext: Wahlverhalten und Wahlmotive im Fürstentum Liechtenstein

Die Staatsform lutistischer Befugnisse des Monarchen würde nicht nur am Konsens­ prinzip der Verfassung, sondern explizit auch am Erfordernis der Gegenzeichnung durch den Regierungschef scheitern. Die Notverordnungskompetenz in Art. 10 LV ist eher als eine Aus­ nahmekompetenz im Verhältnis zum Landtag bzw. zum Volk anzuse­ hen, nicht gegenüber der Regierung. In dringenden Fällen - so Art. 10 LV sinngemäss - kann der Fürst in Abstimmung mit der Regierung Massnahmen ergreifen, ohne den Landtag in das ordentliche Verfahren einzubeziehen. Zu klären ist dabei die Definition von «dringenden Fällen». 
Steger hat die materiellen und formellen Voraussetzungen rela­ tiv grosszügig skizziert, indem er eine Notlage, das Fehlen adäquater Gesetze, die Zustimmung der Regierung und die Publikation als Voraussetzung nennt.94 Doch dies dürfte nicht ausreichen. Es ist fast zwingend zusätzlich eine zeitliche Dringlichkeit als Voraussetzung zu nennen, die es verunmög- licht, auf eine Notlage im ordentlichen Verfahren zu reagieren.95 Es würde sich dann aufdrängen, dass die Sanktion des Landtages nachträg­ lich eingeholt werden müsste, wie dies bereits Wilhelm Beck in der Ent­ stehungszeit der Verfassung forderte.96 Das Notverordnungsrecht aber Verordnung alleine zu regieren (Batliner 1998: 54 ff.). Alle drei Schritte wären jedoch verfassungsrechtlich problematisch gewesen. Für die Endassung der Regierung wäre die Zustimmung des Landtages einzuholen gewesen. Für die Auflösung des Landtages hätte es die Gegenzeichnung durch den Regierungschef gebraucht. Und das Regieren mit Notverordnung kann nur vermittelt über eine Regierung erfolgen. Der Fürst kann nicht selbst und direkt regieren. Vgl. Chronologie der Ereignisse bei Batliner 1998: 54 f. und Waschkuhn 1994a: 110 ff. Ausführliche Würdigung der Ereignisse aus verfas­ sungsrechtlicher Sicht bei Roger Quaderer 1993. * Als materielle Voraussetzung nennt er persönliche, sachliche, polizeiliche oder wirt­ schaftliche Not, gepaart mit einem Fehlen von gesetzlichen Bestimmungen, die eine Reaktion auf eine solche Notsituation erlauben würden. Als formelle Voraussetzung nennt er die Zustimmung der Regierung (Gegenzeichnung) und die Publikation (Steger 1950: 80 f.). Die sehr weitgehende frühere Auslegung von Kieber, wonach der Fürst selbst bestimmt, was ein «dringender Fall» ist, muss abgelehnt werden (vgl. Kieber 1991:3). 95 Vgl. auch Roger Quaderer 1993: 32 f. Die zeitliche Dringlichkeit wird übrigens in der letzten Fürstlichen Verordnung, die sich auf Art. 10 LV abstützt, explizit hervorgeho­ ben. Es ging bei dieser Verordnung (LGB1. 1990 Nr. 47) um Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Irak und Kuwait und um den Schutz von Vermögenswerten Kuwaits im Fürstentum Liechtenstein in Anbetracht der gewaltsamen und völkerrechtswidrigen Besetzung Kuwaits durch den Irak. Die Massnahmen wurden «aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit und wegen der Unmöglichkeit, innert nützlicher Frist im Wege der Gesetzgebung nachstehende Massnahmen zu beschliessen» ergriffen. * Vgl. Wille 1991: 3; Ritter 1992: 66 f. Fn. 48. 49
	        

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