Persönlichkeitswahl Mit der angesprochenen Präsidentialisierung haben sich
Crewe und King eingehend befasst und dabei die vorhandenen Daten in Grossbri tannien analysiert.491 Von verschiedenen Forschern wurde eine Bedeu tungssteigerung von Leaderfiguren bei den britischen Wahlen vermu tet.492 Doch was heisst «präsidentiell»?
Crewe u.a. unterschieden fünf mögliche Aspekte einer «Präsidentialisierung»: - Rolle von Führungspersonen im Wahlkampf: Spielen die Führungsfi guren in der Wahlkampfgestaltung und in den Medien eine zunehmend wichtige Rolle? Aufgrund von Analysen von Nachrichtensendungen in den wichtigsten britischen Fernsehsendern ist diese Annahme über raschenderweise widerlegt.493 - Image der Parteien: Wird das Image der Parteien zunehmend durch persönliche Eigenschaften und den Stil von Führungsfiguren geprägt? - Unterscheidung zwischen Partei und Führungsfiguren: Werden Par teien und ihre Führungsfiguren von der Wählerschaft zunehmend separat beurteilt? Dies könnte dazu führen, dass die positive Ein schätzung einer Partei von einer negativen Beurteilung ihrer Füh rungsfiguren - und umgekehrt - begleitet sein könnte. Auch in dieser Frage gelangen
Crewe u. a. zu einem abschlägigen Befund.494 - Aus der Unterscheidung zwischen Partei und Führungsfiguren ent wickelt sich die Frage, ob am Wahltag die Beurteilung der Partei oder die Beurteilung der Führungsfiguren den Ausschlag für den Wahlent scheid gibt. Tatsächlich könnte diese Frage den Wahlausgang bei den britischen Wahlen 1964 und 1974 beeinflusst haben. Dies lässt sich indes nicht mit Sicherheit feststellen. - Als letzte Möglichkeit könnten sich die Effekte einer stärkeren Fokussierung auf Führungsfiguren auch gegenseitig aufheben, sodass sie im Resultat nur sichtbar würden, wenn die Mehrheitsverhältnisse sehr knapp wären und gleichzeitig die Beurteilung der Führungs figuren weit auseinanderklaffen würde. 4,1 Crewe/King 1994. Sie bedauern jedoch, dass in der britischen Wahlforschung nur sel ten mehr als eine Frage zu den politischen Führungsfiguren gestellt wird und dass zudem eine Vergleichbarkeit über die Zeit nicht gegeben ist. Crewe/King 1994: 187f. 492 Crewe/King 1994: 189 erwähnen Kavanagh 1992: 84 («elections are more leader- centred» und Denver 1989: 88 f. Britische Wahlen sind zunehmend «portrayed as contests between candidates for Prime Minister rather than between political parties competing for control of government.» 493 Crewe u.a. 1994: 189. 494 Crewe u.a. 1994: 192 ff. 279