Volltext: Wahlverhalten und Wahlmotive im Fürstentum Liechtenstein

Bestehende Wahltheorien wegen der Beeinflussung durch Netzwerkpersonen, wegen der Wirkung von Medien oder politischen Kampagnen usw. her? Es wäre sehr erstaunlich, wenn nicht ein sehr grosser Teil derjenigen, die sich mit Partei A identifizieren, tatsächlich Partei A wählen würden. Insofern ist die Gefahr gross, dass der sozialpsychologische Ansatz in tautologische oder wenig aussagekräftige Resultate mündet.341 Da hilft es auch nicht, wenn eine nahezu vollständige Übereinstimmung zwischen den sozialpsychologischen Erklärungsvariablen und dem Wahlentscheid festgestellt wird.342 Das interessanteste Resultat wäre, wie gross die Ab­ weichung zwischen Parteiidentifikation und Wahlentscheid für die ent­ sprechende Partei ist bzw. wie stark die kurzfristigen Faktoren im Mo­ dell wirken. Sobald aber eine nahezu vollständige Übereinstimmung zwischen der Parteiidentifikation und dem Wahlentscheid festgestellt wird - und das scheint in Europa weit eher der Fall zu sein als in den Vereinigten Staaten werden die beiden Variablen zu Synonymen und verlieren ihren datenanalytischen Wert. Wenn mit dem Konzept der Parteiidentifikation als Schlüsselbegriff operiert wird, sollte man ferner davon ausgehen können, dass die Partei­ identifikation klar definierbar ist. Der Begriff der Parteiidentifikation ist jedoch nicht nur in seiner Genese, Dauer und Stärke vielgestaltig, son­ dern kann auch unterschiedliche Beziehungsqualitäten aufweisen.343 Des Weiteren wirft aber auch die kausale Ordnung des Michigan-Konzeptes Fragen auf. Anstatt eine unidirektionale Richtung in den Wirkungs­ zusammenhängen der unabhängigen Variablen vorauszusetzen, wäre es sinnvoller und realitätsnäher, von Wechselwirkungen zwischen den ver­ 341 Vgl. Kritik am sozialpsychologischen Ansatz bei Schloeth 1998: 43 ff. 342 Gabriel schreibt: «Im Falle einer Konsistenz von Parteiidentifikation, Issueorientierun- gen und Kandidatenbewertungen nähert sich die Wahrscheinlichkeit zur Wahl von CDU/CSU bzw. SPD der 100 %-Marke.» Gabriel 1997: 246. 343 Ware (1996: 200f.) unterscheidet drei Arten, wie Individuen mit politischen Parteien verbunden sein können: durch «material/individual link», «social solidarity link» und «policy/personality/image link». Die materielle/individuelle Verbindung ist typisch für Agrargesellschaften mit starken Patronbeziehungen und materieller Abhängigkeit der Untergebenen. Die soziale, solidarische Verbindung ist typisch für die Industriegesell­ schaft. Die Verbindung zur Partei ergibt sich aus der Nähe zu oder der Identität mit einer gesellschaftlichen Gruppe - einer Klasse, einer Religionsgemeinschaft, einer Spra­ chengruppe. Die p'rogrammatische/persönlichkeitsorientierte/imageorientierte Verbin­ dung hat sich in der fortgeschrittenen Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft ent­ wickelt, in der die traditionelle Gruppenzugehörigkeit ins Wanken kommt und gesell­ schaftliche Hierarchien abgebaut werden. 145
	        

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