Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

die Krone niederlegte, Liechtenstein souverän geworden war und die Fürsten niemanden mehr über sich hatten, wurden 1809 der Staat voll zentralisiert und die alten Volksrechte und die Landammannverfassung beseitigt. Der Wider­ stand des Volkes gegen den Absolutismus blieb bis 1848 ohne Erfolg. Es war die Kehrseite der Verbindung mit dem bedeutenden Geschlecht der Liechtenstein, dass diese Kraft nach innen sieb so auswirkte, dass die Fürsten obrigkeitlich alle Macht im Staate absorbierten und in sich vereinigten. Doch nach oben und aussen brauchte es diese fürstliche Macht schon von Anfang an, um sich im Reiche durchzusetzen (1719 Reichsfürstentum) ebenso wie zur Erlangung der vollen Souveränität im Jahre 1806. Ohne den Willen, den Einfluss und das Ansehen der Liechtenstein wäre der liechtensteinische Staat nicht entstanden oder im grossen deutschen Verschmelzungsprozess des 19. Jahrhunderts wieder untergegangen. Ab 1848 sollte das demokratische Element wieder stark wirksam werden und schliesslich über die Verfassungen von 1849 und 1862 mit der Verfassung von 1921 zu einer wohlabgestimmten und tragfähigen Verbindung mit dem monar­ chischen Prinzip gelangen. Es wäre freilich vermessen, die Entwicklung zum heutigen Staat allein auf innere Faktoren abzustützen. So verläuft nicht nur die liechtensteinische Ver­ fassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts in frappanter Weise parallel zur öster­ reichischen Entwicklung (vgl. Geiger, Diss., 24ff.), vielmehr war eine Reihe äusserer Faktoren an der Entstehung des Fürstentums mitbeteiligt, wie Volker Press in einem (demnächst zur Publikation gelangenden) Vortrag «Die Entste­ hung des Fürstentums Liechtenstein» am 17. 9. 1980 in Vaduz an der Jahres­ tagung 1980 des Alemannischen Instituts Freiburg und Tübingen darlegte. Die exponierte Position zwischen den Territorien des Hauses Osterreich und den Landen der Eidgenossenschaft sicherten der Grafschaft Vaduz und Herrschaft Schellenberg das Interesse des Hauses Habsburg; hiezu kam die strategische Bedeutung, die diese Gebiete im 16. und 17. Jahrhundert hatten, als lebens­ wichtige «Spanische Strasse» über Genua und Mailand über das Rheintal in die spanisch-habsburgischen Niederlande, nachdem der Wasserweg durch den Kanal für den Nachschub durch englische, französische und holländische Schiffe behindert war, und, besonders im 17. Jahrhundert, als Verbindungsstrasse für Reichstruppen nach Italien. Diese eminenten Reichsinteressen waren mit im Spiel, dass die Gebiete nicht an schweizerische Kaufinteressenten übergingen, und schliesslich, dass das dem kaiserlichen Hof nahestehende böhmische Haus Liechtenstein die Territorien erwerben konnte, wobei auf Seiten der Liechten­ stein für den Kauf vor allem Prestigegründe (Sitz und Stimme im Reichsfürsten­ rat) motivierend waren. Als in der Folge die europäische Grundkonstellation sich allmählich veränderte und die Gebiete am jungen Rhein in eine weltpolitisch ruhigere Zone rückten, sollte dies für die Erlangung und Bewahrung der Souveränität Liechtensteins wiederum nicht gleichgültig sein. Insbesondere nach dem Erwerb der Souverä­ nität und dem Ausscheiden des Fürstentums aus dem Reichsverband (1806) waren es u. a. gerade die Randlage und die mangelnde übergeordnete strate­ gische Bedeutung, die der Bewahrung der Unabhängigkeit förderlich waren und die Einbeziehung in einen grösseren Machtbereich abhalten Hessen. Solche Fak­ toren dürften auch in den Weltkriegen für die Erhaltung der Unabhängigkeit von Bedeutung gewesen sein (vgl. Gerard Batliner, in: LPS 6, 188, 200ff.). So verbleibt für das wenig mächtige Gemeinwesen wohl die Tatsache mit­ bestimmend:. innerhalb des Reichsverbandes sicherte die strategisch bedeut­ same Lage die Erhaltung der Gebiete; nach Auflösung des Reichsverbandes 1806 war es das Fehlen einer übergeordneten strategischen oder politischen oder wirtschaftlichen Bedeutung, das einen Schutz für aas abseits liegende Territo­ rium darstellte. In denselben Zeitraum fällt aber auch eine Entwicklung von Tragweite im Verhältnis zwischen Fürstenhaus und Fürstentum: sie sollten, nachdem ihre Stellung im Reichsverband 1806 verloren gegangen war, immer mehr aufeinander und auf eine enge gegenseitige Verbindung im nunmehr auf sich allein gestellten Staat verwiesen sein. 170
	        

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