Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

liberal-repräsentativen Staat beschränkt werden darf (Prinzip, 222ff.). Die Repräsentation steht im Zusammenhang mit den mittelalterlichen ständischen Vertretungen, die sich Rechte gegenüber den Monarchen erkämpften, damit aber in Ständeversammlungen selbst für das Volk verbindliche Beschlüsse fassen konnten. Die Vertreter bedurften gar der Vollmachten durch die Stände — aber wichtiger, entscheidend für die Repräsentation war, dass die Versamm­ lung für das Ganze verbindlich beschüessen konnte. «Die ideelle Grundlage repräsentativer Formen liegt... in den älteren und weiteren Vorstellungen der Begründung aller staatlichen Leitung auf Zustimmung (Delegation) des Volkes und der Fähigkeit von Vertretern, das Volk durch ihre Handlungen wirksam zu verbinden» (Prinzip, 226). «Die Repräsentation ist eine Ordnung der Dele­ gation vom Volk her, nicht der unmittelbaren Entscheidung durch das Volk.» (Prinzip, 231) Repräsentative Machtausübung für das Volk ist aber nur mög­ lich, wenn sie nicnt an Sonderinteressen, sondern am Gemeinwohl orientiert ist (Prinzip, 231). Damit hat sich die repräsentative Funktion, einer inneren Konsequenz folgend, allmählich aus den Vorstellungen der Vertretung herausgeschält (Prinzip, 228), woraus sich dann auch das Element der Weisungsunabhängigkeit des Angeord­ neten ergab (Prinzip, 230f.). Vor allem war es Edmund Burke, der die heute moderne Vorstellung der Repräsentation im 18. Jahrhundert zu allgemeiner Geltung brachte, nämlich «die Idee, dass der einzelne Abgeordnete nicht seinen Wahlkreis, sondern die ganze Nation vertritt und nicht von Weisungen (man- dates) seiner Wähler abhängig gemacht werden kann» (Prinzip, 227). Ib. Die parlamentarische Repräsentation als Gewaltenteilung zwischen Volk und Parlament — befristete Delegation von Macht zur verantwortlichen Aus­ übung durch das Parlament Aber schon immer beruhte die repräsentative Idee im Unterschied von Regie­ renden und Regierten. So geht das repräsentative Prinzip «auch nur mit einer Auffassung der Demokratie zusammen, die ihren Sinn nicht in der Aufhebung des Unterschiedes von Regierung und Volk, in der Identität von Herrschaft und Beherrschten, erblickt, sondern den Unterschied von Regierenden und Re­ gierten in einem politischen Gemeinwesen anerkennt» (Prinzip, 226). Die repräsentative Machtausübung durch das Parlament ist aber nicht unge­ bunden; sie ist auf das Gemeinwohl verpflichtet und auf begrenzte Zeit ein­ gesetzt (Prinzip, 231f.). So ist das repräsentative Prinzip aucn in unlöslichem Zusammenhang mit dem Gedanken des «temperierten» Staates und «kann nur dort gedeihen, wo der Grundsatz der Mässigung der politischen Macht gilt. Es steht daher in naher gedanklicher Verbindung auch zu dem später heraus­ gearbeiteten Prinzip der Gewaltenteilung» (Prinzip, 231), nebst der Gewalten­ teilung zwischen Volk und Parlament, die der Repräsentation notwendig immanent ist. Würde es richtig sein, dass das parlamentarische Repräsentativsystem im moder­ nen Parteienstaat in der politischen Wirklichkeit einem direktdemokratischen, plebiszitären System gewichen ist, dass das Parlament durch den plebiszitären Wahlakt, der zugleich Entscheid für eine Partei wie ein Programm ist, demo­ kratisch-direkt gebunden wird und dass damit ebenfalls Regierung und Parla­ mentsmehrheit zu einer Gewalt vereinigt werden, so ist alle «temperierende» Gewaltenteilung aufgehoben. Alles würde so auf das Volk und die Partei ein­ dimensional reduziert. Es fehlen damit die der Gewaltenteilung eigentümlichen und für die Freiheit so wichtigen gegenseitigen Abgrenzungen una Kontrollen. Es fehlt das unabhängige und schöpferisch freie, dem Gemeinwohl verant­ wortliche Urteil des Parlaments. Es fehlt auch die Verantwortung des Parla­ mentariers, der zur «technisch-organisatorischen» Notwendigkeit degeneriert. Auch Zusammenhänge mit Rousseau sind unverkennbar. Mit seiner Lehre von der absoluten Volksherrschaft ging; — wem sollte das Volk verpflichtet sein — die Bindung der obersten Entscheidung an eine höhere Verantwortung und an das Gemeinwohl, an der sogar die absolute Monarchie festgehalten hatte, ver­ loren («Le souverain, par cela seul qu'il est, est toujours ce qu'il doit 6tre.», 
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