Gin Spaziergang durch das kleinste deutsche Land. Neue venten
Auf der Höhe angelangt, kann ich nun von meiner Felsen-
warte hinabschauen in das stille Thal dieses Alpenlandes, durch
das der deutsche Rhein seine Wasser führt, die deutsche Erde
zum ersten Mal begrüßend. Gewiß, dieser Ausbli>, dieses stille
von den Bergriesen eingerahmte Thal mit seinem Strome, seinen
grünen Rebenhügeln, bunten Dörfern und mit seinen Burgruinen
ist malerisch schön und eine Weide für Aug und Herz des staunenden
Flachländer3.
Da liegt das kleinste deutsc<e Land, der kleinste Genosse
des weiland deutschen Bundes, vor meinen Blicken ausgebreitet
auf einem Flächenraum von nicht 3 [] Meilen, von Sid nach
Nord und von West nach Ost mit einem einzigen Blicke über-
sehbar. Der Rhein im Westen, die Alpen im Osten, zwei
Hügelreihen im Süden und Norden bilden des Ländchens natür-
lihe Grenz- Marken, und kaum 9000 Menschen bewohnen, in
zehn Gemeinden vertheilt, dieses liebliche Alpengelände, von dem
der Liechtensteiner singt?
Oberst am deutschen Rhein
Lehnet sich Liechtensiein
Un Alpenhöh'n.
Dies liebe Heimatland
Im deutschen Vaterland
Hat Gottes weise Hand
Für uns erseh'n.
Wo einst Sankt Luzien
Frieden nach Rhätien
Herein gebracht:
Dort an dem Grenzenstein,
Qängs an dem jungen Rhein,
Steht furchtlos Liechtenstein
Auf Deutschland's Wacht!
Also Liechtenstein auf Deutschland's Wacht, fur<tlos und
tark! Drum, lieb Vaterland, mochtest du so ruhig sein! Hier
varen wirklich Jahrhunderte hindurch die Marken, welche Deutsch-
E k (and von Rhätien und Helvetien schieden. Daß es aber Deutsch-
Sipisß Banne im Linien fen (and zur Wacht gestanden, mußte das arme Völkchen EE
: . nge heer I TINE - oft auf die schrelichste Weise fühlen. Im sogenannten Appen-
„De „ue ENE 1? 705 ie zellerfrieg, im Schwabenkrieg, in den italienisch - österreichisch-
9 ce un 2 . es » 4 4 7: ß Ne 53 * spanischen Wirren, im 30-jährigen Krieg, im deutsch-französischen
ichsten hat er biSher noch keine Vrar gebracht. DE Sieg yon 1689, im spanischen Erbfolgekrieg und endlich im
Grund mag sein, weil dieses glücklichste Land zu- Fran : : E-
. | ; . TEN zosenfrieg von 1799 war dies Ländchen der Schauplaß
zleich das kleinste ist, das Kleine aber leider überall : | 20404 5 ?
2 ; blutiger Gräuel. Was nicht in Flammen aufging, ward aus-
dem Großen das Wort lassen muß. I< meine das fündent. In Iolaed Zxlfchen Trüßpend ine Miner
Fürstenthum Liechtenstein, droben am jungen Rhein, in den rhäti- Rep RDerte In Fol9e er manfhüörlichen Trühpen ur<züge, nur
t f : quartiere und Kriegssteuern war es oft der bittersten Noth
ichen Alpen. | preiSgegeben, deren Folge die Pest war, welche bisweilen die
Ist der Wanderer dem Bergneße von Hohenrhätien entsc<hlüpft Hälfte der Bevölkerung hinraffte.
und hat er sich in dem berühmten Badeorte Ragaz die Stiefel Wunderbar aber ist es, wie sich die politischen Einrichtungen
sohlen lassen, so darf es ihn nicht verdrießen, einen Ausflug dieser Thalschaft unter jenen Europa umgestalienden Kämpfen
über den Rhein in das benachbarte fürstliche Land zu machen. beinahe unverändert erhalten haben bis in die neueste Zeit.
- Die Straße führt durch das Städtchen Mayenfeld zur Höhe Einsicht3volle und standhafte Männer verfochten die hergebrachten
der Luziensteig hinauf und von dort in's Rheinthal hinab, eine Rechte; die treue Gintracht aber lieh ihren Bemühungen den ge-
den Badegästen sehr beliebte Partie zu Ausfahrten an den hörigen Nachdruck. Nicht mit Aufruhr und Gewalt befledten sie
Sommerabenden. I< schwenkte aber von der Luziensteig nach ihre gute Sache. Wie Der Einzelne durch seine Thaten sich felbst
linfs ab, um Den Fläscherberg zu ersteigen, der eine prächtige richtet, so das Volk. Leiden und Drangsale gehen vorüber, aber
Kafi Ne wn jo . Beate ishast beste I 2 EEE IE M Dm EE cn Von
aus zwei Burschen, die Päde auf ihren en trugen, um Die- acht u erechtigfeit lieben, weit dieje Tugenden a em
selben über die Grenze zu s<hmuggeln. Sie kamen glücklich durch, Schwachen eine sittliche Stärke geben, welche der rohen Gewalt
den Grenzwächter links liegen lassend, der indessen, auf seinem widersteht.
R HA2FNNDE sich M SI strich. im wonnigen Be- 1288.55 Ji 5 zwischen Sete Shawn im ahr
wußtjem, die eue der Gegend zu jein, riß dieses Ländchen vom preußis<hen Deutschland ab. Für
. Mag man von diesem Zollsystem sagen, wis immer: == das kleine Ländchen Liechtenstein, das fich nun frei und unab-
für das liechtensteinische Völkchen hat es sein Gutes, Laut dem hängig unter dem Schuße eines erlauchten, katholischen Fürsten-
Zollvertrag bezieht dasselbe von Oesterreich alljährlich eine Summe hauses - neugestaltete, war dies die Morgenröthe einer besseren
von etwa 20,000 Gulden, die zur Deckung der Staat3auslagen Zukunft.
hinreicht, wodur< den Liechtensteinern die Staatssteuern voll- Durcheilen wir jetzt das nur 6 Stunden lange Thal der
ständig erspart werden. Schon das ist etwas Merkwürdiges in winzigen Monarchie, indem wir seine Merkwürdigkeiten im Mond-
unserer steuerreichen Zeit: ein Land ohne Staatssteuern! ihein der Vergangenheit betrachten.
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