Der Abt von Disentis seinerseits hatte in Ursern die
Grundherrlichkeit und damit verbundene Immuni-
täts- oder niedere Gerichtsbarkeit.‘) Die Thalleute
waren aber frei, d. h. nicht leibeigen (daher die dortige
Vogtei eine «freie Vogtei» hiess?) und berühmten sich,
mit Rücksicht auf ihre schwere Arbeit für den Unterhalt
jon «Weg und Steg» «mit kaiserlichen Privilegien gefreit
zu sein»%1, und wirklich erscheinen in dem, Sofort zu er-
wähnenden, Loskaufsakt von 1649 keine, von Leibeigenschaft
terrührende Verpflichtungen, vielmehr anerkennen die Thal-
leute von Ursern in demselben gegenüber ‚dem Kloster
Disentis bloss eine Zinspflicht von 6 Gulden, was vermuthen
lässt, dass dieselben sich einst als «freie Walser » auf die-
sem, dem Kloster gehörigen, dem Oberwallis benachbarten
Alpgebiet ansiedelten, nachdem ihnen dasselbe zur Aus-
jeutung des Waldes gegen einen geringen Grund- und Schirm-
zins mochte überlassen worden sein.
Es liegt uns somit hier das Beispiel einer, bloss auf
Grundherrlichkeit, nicht auch auf Leibeigenschaft
begründeten Immunitätsherrschaft vor.
Die erste Urkunde, welche sich auf dieses Herrschafts-
recht bezieht, ist der von dem Abt von Disentis im Jahr
1425 mit den Thalleuten von Ursern getroffene Vergleich,
wonach letztere «nach bisheriger Uebung» jährlich ihren
Ammann wählen sollen, letzterer aber das Amt von dem
Abt empfangen und zum Wahrzeichen dafür zwei Paar
weisse Handschuhe ihm geben solle.*)
!) Daher sagt Tschudi (Chron. S. 327) dass Ursern «dem Got-
teshaus Disentis zugeböre ».
?) «Fry Voety ze Ursern» (Burkart, östr. Urb. v. 1809).
3) Tschudi, Chron. I. S. 327.
4) Mohr, Reg. v. Dis., n. 175. Im Jahr 1484 wurde dieses Wahl-
recht der‘ Thalgemeinde nochmals durch einen Schiedspruch bestä-
tigt (Mohr, Reg. v. Dis., n. 224).
JURA