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Stumpf, der gewissenhafteste und zuverlässigste Alterthumsforscher des 16. Jahrhunderts, ver-
sichert, dass »ausgenommen die Mauern des verfallenen burgstals Altenburg bei unsern zeyten kein
offenbare gestalt mer‘ einer statt ob dem erdtrich gespürt werde, dass aber under der erden die
fundament der mauren, stein, estrich, verfallne gwelb, alte römische und andere dergleychen war-
zeichen sich erzeigend, durch‘ welche die grösse der alten statt abgemerckt werden möge.« Alle
Schriftsteller bis auf Haller herab, stimmen darin überein, dass zu ihrer Zeit über dem Boden keine
Spur von Bauresten zu bemerken gewesen sei und dass einzig die Vertiefung des einstigen Amphi-
theaters, einige Inschriftsteine, das in die Kirchenmauer’ eingesetzte Bild und eine Menge Münzen
und kleiner Anticaglien an die Herrlichkeit der alten Römerstadt erinnern.
Haller, der als Verwalter des vormaligen Klosters Königsfelden eine Reihe von Jahren auf der
Trümmerstätte der alten Ortschaft zubrachte, ist der erste, welcher ausführlich über die Alterthümer
von Windisch berichtet. Allein seine ausserordentliche Leichtgläubigkeit und sein Hang zur‘ Ueber-
treibung liessen. ihn Alterthumsreste da finden, wo nie solche vorhanden gewesen und vorhandene in
einer Weise beschreiben, wie weder sein noch irgend eines Menschen Auge sie gesehen hatte. In der
nachfolgenden‘ Aufzählung der zu Haller’s Zeit und jetzt noch vorhandenen Alterthümer werden wir
fast bei jeder Einzelnheit genöthigt sein, auf die Unzuverlässigkeit der Berichte dieses Mannes auf-
merksam zu machen. ;
Beim Durchwandern des Feldes; auf welchem Vindonissa gestanden, findef” man sich in seinen
Erwartungen rücksichtlich der Reste von Fortificationen, von öffentlichen und Privatgebäuden sehr
getäuscht, indem über dem Boden auch nicht ein Stück einer Mauer aus römischer Zeit stehen geblieben
ist, und kann. sich den Mangel an‘ solchen Ueberbleibseln ‚nur durch die Annahme erklären, dass
schon in frühester Zeit während der Einfälle der Alemannen ;-dann beim Bau der Festung Altenburg
und später demjenigen‘ der Stadt Brugg sammt ihrer Ringmauer und namentlich bei Erbauung des
Klosters Königsfelden mit seinen gewaltigen Umfassungsmauern eine gründliche Zerstörung über den
Ort. ergangen sei, zugleich aber gelangt man zu der Ueberzeugung, dass dieser Lagerplatz nie die
Ausdehnung: und die Entwickelung erreicht habe, um mit einer der nahen Colonien wie Aventicum
oder Augusta Rauricorum verglichen werden zu können. Das Resultat vieljähriger von Herrn Dr. Meyer
und mir angestellten Untersuchungen dieses Ortes geht dahin, dass derselbe allerdings mit mehreren
auf Militärwesen bezüglichen öffentlichen Gebäuden geschmückt war, indessen, da weder die Reste
eines Theaters, noch solche von Tempeln, und fast keine sculptirten Werkstücke, wie Capitäle von
Säulen u. drgl. gefunden oder irgendwo eingemauert bemerkt wurden, — was immer Haller und andere
Alterthumsforscher dafür anführen — ein eigentlich städtisches Aussehen nie besessen habe.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen gehen wir zur Aufzählung der noch vorhandenen Alter-
thumsreste über.
Umfang von Vindonissa. Castralmauern. Haller lässt (Helv. u. d. R. II. 386) Vindo“
nissa sich von Königsfelden an südwärts über die Ebene, worauf das Dörfchen Hausen steht, und den
Lindhofhügel ausdehnen. Ostwärts hatten nach seiner Meinung die Reuss, südwärts der Scherzberg
ünd westwärts die Anhöhe Tann das Areal der Stadt begrenzt. Auf dem am eben angeführten Orte
mitgetheilten Plane sind auch die Punkte, wo die vier Porten standen, angegeben:
Haller hat beim Entwerfen des Planes offenbar die Beschreibung der Stadt Mainz von Fuchs vor
Augen gehabt und ähnliche Befestigungswerke und Dimensionen auch hier zu finden geglaubt, allein