bisse. Fürst Karl fand auch dieses Blatt und seine Eifer-
sucht erhielt neue Nahrung. Er sprach nicht darüber, er-
schien aber seiner Frau gegenüber ernst und schweigsam, und
als sie ihn um die Ursache fragte, erwiederte er, er sei über-
zeugt, daß sie eine geheime Neigung habe. Er mußte jedoch
eben aus der Confession erkennen, daß sein Verdacht zu weit
gehe und seine Frau ehrlich bemüht war, jede Spur einer
Untreue auch nur in Gedanken auszulöschen. Nach einigen
Tagen glättete sich sein Gemüth, er wurde wieder freundlich
und gütig, aber dieje Freundschaft und Güte zerriß ihr das
Herz. Ze mer Liebe er ihr zeigte, desto größer wurde ihre
Qual; sie liebkoste ihn und zitterte dabei; sie war sich keiner
Schuld bewußt und doch schlug ihr das Herz, wenn sie
Odonell zufällia bei einem Hoffeste begegnete. „Welch ein
Gemisch von seltsamen Stimmungen ist die Ehe", schrieb sie,
„wie eigen ist vo< das menschliche Herz." Ihr Beichtvater
jagte ihr: sie möge sich beruhigen, man sei nicht immer Herr
seiner Neigungen, aber man könne sie bezwingen. „Und ich
will sie bezwingen", schrieb sie ihrer Schwester, „ih kann in
dieser Unruhe und Furcht nicht fortleben ; Gott sieht in mein
Herz; es ist schwach, aber voll guten Willens und voll Ber-
trauen auf seine Barmherzigkeit." Sie bestand einen harten
Kampf mit sich selbst; sie bat ihre Schwester um guten Rath
und Hilfs und schrieb ihr die leidenshaftlichsten Briefe: „Ich
bin ein elendes Geschöpf, ich hasse mich, ich werde mir selbst
zur Last; wie ist es möglich, daß Gott das menschliche Herz
so s<wach und do< so unbezähmbar gebildet hat*).“
1) Eleonore an Leopoldine, Meserits<h, 29. October ; Wien, 2. De-
cember 1765, 21. April, 5. Juni, 16. October 1766.