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Bei aller Neigung für ihren Mann war die Liebe zu
ihrer Schwester der Inhalt ihres Lebens. Zn dem raschen
Wechsel ihrer Gefühle, in ihrem vorschnellen Urtheil, in der
Leidenschaft, mit der sie alles erfaßte , war diese Liebe ihre
Stüße, ihre Kraft, ihre Zuflucht in jeder Bedrängniß. Und
Leopoldine Kaunitz liebte ihre Schwester in zärtlicher Hinge-
bung, mit unbegrenztem Vertrauen, aber sie war fester,
ruhiger, milder und nachsichtiger. Eleonore hatte mehr Feuer,
Leopoldine mehr Geist. In jedem ihrer Briefe ist eine sin-
nige Betrachtung, ein geistvolles Urtheil. Die beiden Frauen
schrieben sich jeden Gedanken ihrer Seele, jedes Geheimniß
ihres Herzens. Sie hatten mehr Vertrauen zu einander als
zu ihren Männern und beide hatten, so kurze Zeit sie ver-
heiratet waren, in manchen Dingen über ihre Männer zu
klagen. Besonders Leopoldine, denn Ernst Kaunitz war ein
gutmüt" iaer, aber schwacher junger Mann, der sich gegen
seine Trau ziemlich gleichgiltig verhielt und nur für seine
Pferde und Hunde zu leben schien. Dabei war er immer
in Geldsachen in Unordnung. Wenn sie sparen wollte, er-
wiederte er: „ich werde Schulden machen und mein Vater
wird zahlen.“ Aber. der Vater Kaunitz gab nichts, denn er
brauchte alles für sich und seine anderen Söhne. Als eines
Tages seine Schwiegertochter über die Verschwendung ihres
Mannes klagen wollte, schien er gar nicht zu hören und
sprach über andere Dinge. Leopoldine hatte bi8sher den Winter
in Wien, den Sommer im schönen Schlosse Zarmeritz bei
Znaim zugebracht und, weil ihr Mann oft abwesend war,
stille, einsam und nur mit Briefen und Büchern beschäftigt.
Im Forbst 1763 ließ ihr die Kaiserin ankündigen, daß sie
ihren Mann als Gesandten nach Neapel schien werde; sie