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nahm sie an dem großen Bittgange Theil, welchen die Kai-
serin Luise, der Kronprinz Ferdinand, die Erzherzoge Rainer,
Rudolph und Franz von Este aus der Hofpfarrkirche nach
dem Dom zu St. Stephan geleiteten. Am 5. Mai reiste
die kaiserliche Familie na; Ungarn, am 10. Mai besekten
die Franzosen die Vorstadt Mariahilf und umschlossen die
Stadt in einem großen Bogen mit dem Mittelpunkt Schön-
brunn, wo Napoleon wie im Zahre 1805 sein Hauptquartier
nahm. In der inneren Stadt waren in allen Straßen
Militärposten aufgestellt, die Bürgerschaft stand unter Waffen,
auf den Plätzen wurden Rinder geschlachtet, der Wein aus
Fässern geschenkt und das Volk jubelte, als sei Sonntag
oder blauer Montag"). Am 11. Mai früh fing das Bom-
bardement an. Alles griff zu den Waffen und das Klein-
gewehrfeuer knatterte von den Wällen. Man erwartete den
Erzherzog Karl. Fürst Aloys Liechtenstein, der jüngste Sohn
der Fürstin Eleonore, welcher verwundet nach Wien gebracht
wurde, sagte, daß der Erzherzog in zwei Tagen eintreffen
könne und bis dorthin müsse sich die Stadt halten. Zn der
That rückte um vier Uhr Nachmittags die Vorhut des FML.
Hiller ein, sechs ungarische Grenadierbataillone , welche mit
Zubel empfangen wurden. In der Nacht begann das Bombar-
dement von Neuem und dauerte bis zwei Uhr früh. Einige
Häuser geriethen in Brand, mehrere Bürger wurden auf
den Tod verwundet. Als jedoch die Franzosen vom Erdberg
aus sich auf der Praterinsel festsezten und die Besatzung in
Gefahr kam, abgeschnitten zu werden, zogen die Truppen
auf das linke Donauufer und brannten die Brücke hinter
!) Vgl. Smitt: Denkwürdigkeiten eines Lievländers, 1858.