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großen Kapelle und begleiteten den Burgpfarrer, welcher das
Sacrament in das Zimmer des Kaisers trug. Die Fürstin
Eleonore suchte ihre Rührung und Theilnahme zu verwischen,
indem sie sich an die letzten Augenblike ihres Mannes er-
innerte, aber als sie das Miserere singen hörte und in dem
Trauerzuge mitging, glaubte sie zusammenbrechen zu müssen *) :
„Der Kaiser ist sehr krank“, schrieb sie ihrer Tochter; „Du
wirst sehen, er wird bald Deinem Vater nachfolgen, den er
so gequält hat.“ Aber das Ende war noc< nicht so nahe.
Der Kaiser erholte sich, konnte einige kleine Spaziergänge
im Belvederegarten machen und übersiedelte am 11. Mai
nach Laxenburg. Zn dem benachbarten Baden wohnten einige
der fünf Damen: die Clary, die Franzin und Eleonore,
welche die Bäder gebrauchte, und da ihnen der Kaiser schon
in Wien hatte sagen lassen, daß er hoffe, sie in Laxenburg
zu sehen, so fuhren sie hinüber und fanden ihn unter einem
Kastanienbaum im Garten sien; er war sehr abgemagert,
blaß, und, da er nicht viel sprechen durfte, brachen sie bald
wieder auf. Die Grafen Rosenberg und Dietrichstein mel-
deten Grüße, auch La8cy sprach zuweilen ein, und alle fürch-
teten ein trauriges, baldiges Ende. Jemand, der nöthig
hatte zu wissen, wie die Dinge stehen, fragte Doctor Störk
und dieser sagte: für den Augenbli> sei keine Gefahr, vor
drei Wochen werde auch keine Veränderung eintreten. Erst
im Zuli befand sich der Kaiser besser, konnte aber weder
reiten noch fahren. „I< gewinne etwas an Kraft", schrieb
!') Eleonore an die Gräfin Josephine Harrach , 15., 16. April
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