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Unruhe Zosephs aufgeregt wurde, sie erkannte und achtete
doch die offene Ehrlichkeit seines Wesens, seinen guten Willen,
sein warmes Herz für alles, was Oesterreich und das Wohl
seines Volkes betraf. Sie war voll Besorgniß und Mitleid
für ihn; sie wollte alles von ihm wissen, wenn sie auf dem
Lande war, wurde ungeduldig, wenn sie nichts erfuhr und
eifersüchtig, wenn er andere Frauen besuchte. Als der Kaiser
1784 bei einer Zagd in der Brigittenau leicht verwundet
wurde, schrieb sie ihm einen theilnehmenden Brief und Joseph
dankte ihr in den herzlichsten Ausdrücken, versicherte sie seiner
Hochachtung und Freundschaft und daß sie troß ihrer Ein-
samkeit nicht vergessen sei ").
Die armen Frauen! sie haßten die Aufklärung und
ringgum wuchsen ihre Früchte aus dem Boden. Die Auf-
klärung hat in Deutschland die Wissenschaft des Geistes und
der Natur wieder erwet, die Freiheit des Glaubens und
Denkens verkündet, die Kraft, Tüchtigkeit, das Selbstbewußt-
sein des Volkes belebt, sie hat die krankhaften Erscheinungen
der fremden Cultur abgeschüttelt und ein Geistesleben be-
gründet, dessen Glanz noch in unsere Zeit hereinleuchtet. In
Oesterreich folgte die Aufklärung von Anfang an mehr der
rationalistischen, kirchenfeindlichen Richtung und positive Re-
sultate kat fie nur auf dem staatlichen Boden und in der
juristischen Wissenschaft zu schaffen vermo<t. Wir haben
aus dieser Zeit keine Philosophen , keine Naturforscher von
Bedeutung. Die dichterischen Werke des Blumauer, Alxin-
ger, Gebler sind tro>en, verstande8mäßig, ohne Leben und
Schwung. Das Haupt der Aufklärung, Professor Sonnen-
2) Joseph an Eleonore, 4. August 1784.