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der zärtlichste, treueste Chemann, ging mit seiner Frau jpa-
zieren, las ihr vor und ihre Seele war voll Liebe und Glü.
Wenn sie dazu ein gutes Buch fand, waren alle ihre Wünsche
erfüllt. Damals las sie den Agathon von Wieland, die
Memoiren von Manstein, einige deutsche geschichtliche Werke
und schrieb darüber: „I< habe Vorliebe für gute Bücher
und finde, daß die deutschen nicht schlechter , ja sogar besser
sind als die französischen ; allerdings sind sie nicht so regel-
mäßig, glatt, aber sie haben mehr Kraft und Nerven.“ Aus
diesem Stillleben wurde sie im Herbste aufgescheucht durch
die Ankunft des Kaisers, der damals eine Rundreise durch
Böhmen und Mähren machte, um die Truppen zu besich-
tigen und vornehmlich um Vorkehrungen wegen der herr-
schenden Hungersnoth zu treffen. Am 1. October Abeuds
fam er nach Vrünn und ging sogleich in das festlich beleuchtete
Theater. Laudon, der damals commandirender General in
Mähren war, und Ernst Kauniß führten ihn in die Loge;
er setzte sich neben die Gräfin, erzählte und ließ sich einige
Personen, besonders hübsche Damen nennen. „Apropos“,
sagte er zur Gräfin, „weil wir von hübschen Frauen spre-
<hen, wie at es der Fürstin Karl?“ „Sehr gut, sie war
acht Tage in Austerli und ist jezt in Meseritsch.“ „&- wie
bedauere ich sie, man sagt, das soll ein unangenehmer Auf-
enthalt sein.“ „Die Fürstin ist sehr zufrieden, erwiederte Leo-
poldine, sie liebt sehr das Landleben.“ Der Kaiser war sehr
heiter, scherzte, ließ sich mehrere geheime Räthe und Käm-
merer, welche vor der Loge warteten, vorstellen, verließ aber
das Theater nach dem ersten Ballet. Am anderen Morgen
ging er in die Kaserne, auf den Spielberg, hielt eine lange
Berathung mit den Präsidenten der Regierung und der