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An die Rekultivirung der zerstörten Felder ist meistens gar nicht
zu denken ; auf dem aus Granitarten bestehenden , vollständig unpro-
duktiven Geschiebe könnte höchstens im Laufe der Jahrzehnte durch
Anpflanzung von Stauden und Anschlammung nach und nach wieder
eine Art von Humus erzeugt werden. =- Auch die beschädigten , bloß
überführten Felder sind nur durch bedeutende Arbeiten wieder fulturfähig
zu machen , indem der Sand und das Geschiebe keine8wegs schlamm-
artig, sondern von ganz unproduktiver Natur sind und vollständig weg-
geräumt werden müssen.
Anderseits nöthigt der veränderte Lauf des Tessin und der Wild-
bäche eine Reihe von Ortschaften zu sofortigen neuen »Ipfern, um ihre
Existenz, sowie diejenige ihrer übriggebliebenen Felder einigermaßen sicher
zu stellen ; Olivone, Malvaglia, Dongio haben sehr solide Werke gegen
den Tessin nöthig und Campo, Grumo, Luttigna, Semione müssen sich
dur<. Dämme und Thalsperren gegen die Wildbäche vertheidigen. =-
Allein woher sollen vie Mittel zu denselben genommen werden ? Noch
sind die in den lezten Jahrzehnten erbauten Dämme und Wuhren nicht
bezahlt, welche sammt den Feldern, die sie beschüßen sollten, verschivun-
den sind und bloß die für sie contrahirten Schulden hinterlassen haben !
(E8 ist dem Bleniothale nicht zu verargen , wenn es unter dem
Druc diejer Umstände mit Sehnsucht nach den eidgenössischen Hülfs-
geldern blit und in seiner Rathlosigkeit sogar von Alpenstraßen und
Lukmanier-Bahnen sein Heil erwartet.
Einstweilen haben sie sich beeilt, die kantonale Straße, welche einige
Wochen nur für Fußgänger passirbar war, provisortsch wieder fahrbar zu
machen. Bei Malvaglia war die ganze Dorfbevölkerung an der Arbeit,
die Männer mit Pickel und Schaufel, die Weiber zu 20-30 an langen
Seilen Steinblöke herbeischleppend, die Kinder kleinere Steine auf dem
Rücken tragend. =- Weniger malerisch nahm sich etwas weiter bei
Dongio eine Sappeurfompagnie in Uniform und Feldbinde aus, welche
Nothbrücen über den Brenno herstellten. Mit einer Energie, als ob
Hannibal vor den Thoren wäre,-find diese braven Söhne das Aargau's
mitten in der Nacht aufgeboten worden und in Eilmärschen über die
Alpen gezogen , um möglichst rasch dem Val Blenio , obgleich dasselbe
noch feine Verkehrsöstraßen und im Ganzen bloß 3-=- 4 Pferde besitzt,
die Wohlthat einer fahrbaren Verbindung zu verschaffen. |
Was aber dem unglücklichen Thale, abgesehen von Sappeur-Com-
pagnieen und der Vertheilung von Geld und Kartoffeln , hauptsächlich
noth thut, sind praktische und erleuchtete Rathschläge , um den Muth
und das Vertrauen in die Zukunft zu heben; es braucht Anleitung
für die Arbeiten , welche seine Ortschaften gegen die dringendsten Ge-
fahren sicher stellen sollen ; es braucht Unterstüßung aus den eidgenössi=
ichen Hülfsgeldern, um dieselben zur Ausführung zu bringen.