Volltext: Die Berichte der Expertencommissionen über die Ursachen und den Betrag des durch die Überschwemmungen im Jahr 1868 in den Cantonen Uri, St. Gallen, Graubünden, Tessin und Wallis angerichteten Schadens

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Val Blenio. 
Zum Schauplaße großer Naturereignisse prädestinirt , hat das von 
Bia8ca bis Olivone sich erstreende Thal im Laufe der Jahrhunderte 
mehrere Bergstürze und zahlreiche Ueberfluthungen erlebt. =- Und was 
die Berge und das Wasser verschont haben , bleibt dem beständigen 
Spiele der Lawinen ausgeseßt. 
Ungeachtet dieser Proteste der Natur scheint bei den Ansiedlungen 
im Thale, welche nicht über das zehnte Jahrhundert hinaufreichen und 
als älteste Baudenkmäler einige Kirc<hthürme romanischer Bauart auf- 
weisen, nicht die größte Vorsicht obgewaltet zu haben. 
Am Ufer des raschen Tessins, am Fuße der Berge und der toben- 
den Wildbäche, in halber Höhe und bis auf die Anhöhen ist das Thal 
mit Ortschaften übersäet, deren manche durch stattliche Häuser den Be- 
sucher überraschen. =- Jeder Fuß breit kulturfähigen Bodens wurde zu 
Wiesen, Aer- oder Baumpflanzungen, worunter namentlich Kastanien- 
und Nußbäume, verwendet ; auch die bei frühern Ueberfluthungen zer- 
störte Thalsohle ist in den lezten Jahrzehnten zu fruchtbaren Feldern 
und Weingärten umgewandelt worden, wo an hohen Spalieren die Rebe 
und in leßter Zeit auch der Maulbeerbaum mit Erfolg gezogen wurde. 
Gleichzeitig scheinen allerdings auch die unverständigen Abholzungen statt- 
gefunden zu haben, welche die Berge bis zu halber Höhe fast gänzlich 
entwaldet und, dadurch den Boden der steilen Bergwände gelo>ert haben. 
Unbarmherzig pflegt die Natur ihre Rechte dem Menschen gegenüber 
geltend zu machen und überraschte das sorglose Thal mit einem jener 
Ereignisse, welche sich aller Berechnung entziehen und aller menschlichen 
Kraft und Anstrengung spotten. 
Nach mehrwöchentlichen starken Regengüssen entlud sich am 27. Sep- 
tember jenes gewaltige Gewitter , welches uber die Lerge von Wallis 
bi8 Graubünden zog und in der Gegend des Val Blenio seinen Cul- 
minations8punkt erreicht zu haben-scheint. =- Nach Aussagen der Hirten 
auf den Bergen soll der Regen nicht mehr in Tropfen, sondern in Form 
eontinuirlicher Wassermassen gefallen sein und viele Leute wollen in der 
Nacht vom 27/28. September Erderschütterungen verspürt haben. 
E8 ist nicht Aufgabe dieser Kommission, die meteorologischen, elek- 
tromagnetischen oder plutonischen Einflüsse zu erörtern, welche thätig sein 
mochten , um die kolossalen Wirkungen , mit welchen wir es zu thun 
haben , hervorzubringen. =- Es genügt , hier zu konstatiren, daß am 
27. September, Abends 10 Uhr, urplößlich und unter heftigen Gewitter- 
schlägen sich ungeheure Wassermassen aus den Thälern Compietto, 
Campo und CGambra, aus Val Soglia und aus zahllosen 
Wildbächen herabstürzten ; daß mit diesen Wassern zugleich eine Unmasse
	        

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