Volltext: Die Berichte der Expertencommissionen über die Ursachen und den Betrag des durch die Überschwemmungen im Jahr 1868 in den Cantonen Uri, St. Gallen, Graubünden, Tessin und Wallis angerichteten Schadens

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Schwellengenossenschaften zu vereinigen und den Fluß durch die nöthi= 
zen Schußzbauten in Ordnung zu halten. Sämmtliche Flüsse und 
Wildbäche sollen korrigirt werden , und es darf sogar der Staat bei 
der Ausführung gemeinnüßiger Werke gegen widerspenstige Privaten 
und Gemeinden einschreiten. Am Geset fehlt es also hier nicht, aber 
an der Vollziehung! Daher kommt es denn auch , daß mitunter mit 
enormen Kosten die planlosesten Bauten ausgeführt wurden , um ein- 
zelne bedrohte Punkte zu schüßen , aber ohne die zukünftige Uferlinie 
im Auge zu behalten. Am nämlichen Flusse sieht man bald forrigirte, 
dann wieder unkorrigirte Streen, wo der Strom bald an dieses, bald 
an jenes Ufer getrieben wird; aber nirgends findet man auf längern 
Strecken ein rationelle3 Korrektionssystem beharrlich durchgeführt. Unter 
solchen Verhältnissen darf man sich denn auch nicht wundern , daß die 
außergewöhnlich angeschwollenen Gewässer viele Angriffspunkte fanden 
und um so größern Schaden anrichteten. Doch darüber muß man sich 
verwundern, daß nach den vielen Katastrophen, die der Kanton Tessin 
schon erlebt hat , von den Behörden und Gemeinden nicht energischer 
vorgegangen wird, daß trog aller Mahnungen und Berichte der In- 
genieure und Forstmänner die kahlen Berglehnen nicht aufgeforstet, 
die Wildbäche nicht verbaut und die Flüsse nicht rationell forrigirt 
werden, und doch scheint es der Bevölkerung weder am guten Willen, 
noch an der Opferfähigkeit zu- fehlen ! 
Frägt man nach der Ursache der dieSjährigen Katastrophe, 
welche sv vieles Elend über diesen Kanton gebracht hat, 19 ist diejelbe 
zunächst eine Folge der Ende September und Anfangs Oktober , drei 
Wochen lang anhaltenden Regengüsse ; ein außerordentliches Schmelzen 
der Gletscher konnte nicht konstatirt werden. =- Mit rasender Geschwin- 
digfeit stürzten die Bergwasser über die entwaldeten Hänge und sende- 
ten in kürzester Heit, alles mit sich fortreißend, eine außergewöhnliche 
Wassermenge in die Thalebene und schließlich in den Lago maggiore, 
dessen Abfluß höchst mangelhaft ist. 
In den Stromgebieten des Tessins, der Maggia und der Verzasca 
schwollen dieje Ströme , genährt von zahlreichen Nebenflüssen und von 
wüthenden Wildbächen bestürmt, welche in ungemessener Zahl aus allen 
Rinnen der Thalwände hinunter stürzten, zu einer früher noch niemals 
erreichten Höhe an , und überflutheten mit dem ungeheuren Geschiebe, 
welches die Wildbäche unter donnerndem Getöye von den Bergen her= 
unterwälzten , alle tiefern , im flachen Thalboden gelegenen Gründe. 
Die fruchtbare Erde wurde in weiten Strecken gänzlich weggerissen und 
an deren Stelle blieb ein Wüstenmeer von Steingewölbe und Fels- 
blöfen zurüd. Eine Menge Häuser wurde weggeschwemmt oder zer- 
stört , eine gewisse Zahl geschädigt und unbewohnbar gemacht. Vieh, 
Naaren und Vorräthe aller Art gingen in bedeutender Menge ver-
	        

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