Von Bischof Tello bis Bischof Gerbrath. »
Übrigens war die bischöfliche Würde immerhin die Dauptsache, das
PräseSamt dieser nur beigegeben. Der Inhalt des Testamentes
spricht für die weltliche Herrschergewalt Tellos, da dieser von zahl-
reichen Dienstmännern und Hofleuten umgeben erscheint.*)
Bruschius und Bucelinus berichten von ihm, daß er die Ka-
thedrale von Chur erbaut habe. Alles deutet darauf hin, daß die
Angabe vollständig richtig sei. BiSher war St. Luzi Sitz des Bischofs,
das römische Kastell die Residenz der weltlichen Herrscher gewesen. Wurde
nun Tellv Präses, so nahm er naturgemäß Besit vom Kastell. Hatte
er aber in diesem seinen Aufenthalt, so wollte er auch hier seine
Yauptkirche haben; die Erbauung der Kathedrale im Umfange des
Burgraumes war eine sehr naheliegende Folge der erwähnten Übersied-
lung. Auch wird das3 Kirchlein von St. Luzi sich für eine Dom-
firche als zu klein und unscheinbar erwiesen haben. Die Mittel zum
Baue einer neuen würdigen Kathedrale standen Tello als Präses
und. als leßtem Erben der sehr begüterten Viktoridenfamilie reichlich
zur Verfügung. Als Bauplatz wählte er die südöstliche Ecke des
Kastells, wo einer der vier Türme gestanden und die noch vorhan-
dene Zisterne sich befand. Tello widmete seine Kirche der Mutter
Gottes. In allen Urkunden bis ins späte Mittelalter hinein wird
nämlich der Dom als Marienkirche bezeichnet. Im Jahre 951 und
in späterer Zeit erscheint der hl. Luzius als Mitpatron.*?)
Durch diesen Bau hat sich Bischof Tellov für alle Zeiten ein
rühmliches Denkmal gesezt. Wie wir sehen werden, wurde später die
Kathedrale neu erbaut, aber auch jezt noch dürften einzelne Teile
derselben der ursprünglichen Anlage Tellos angehören, so Teile der
Krypta*), die Steinskulpturen, welche jezt für die Mensa des Altares
in der Laurentiuskapelle verwendet sind u. |. w. Die Erbauung der
Kathedrale war wohl der Grund, warum dieser Bischof in seinem
Testamente des Hochstiftes nicht mehr gedachte, sondern alle seine
Vergabungen an das Kloster Disentis machte.
Tellv war überhaupt ein vorzüglicher Kirchenfürst und dehnte
jeine Wirksamkeit selbst über die Grenze der Diözese aus. Als Bi-
schof Sidonius von Konstanz mit allen Mitteln die Abtei St. Gallen
in seine Gewalt bringen und den heil. Othmar verdrängen wollte,
?) Planta, DaS alte Rätien, S. 291.
2) Mohr, S. 70.
*) In der Krypta, wie an der Stufe des ersten Altares im nördlichen
Seitenschiffe, findet sich noh der römische Eierstab.
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