Volltext: Geschichte des Bistums Chur

Der hl. Valentinian. 
In den Klosterschulen begann das ungelenke Barbarenkind die 
ersten römischen Laute zu stammeln, die schwere Hand beugte sich 
mühjam zum Griffel und mit Widerstreben entwöhnte sich die Phan- 
tasie der kriegerischen Stoffe und Sagen, von denen sie voll war. 
In Folge von Schenkungen wurde der Klosterbesit groß, aber 
er wurde auch gut verwendet, besonders zur Unterstüßung der Armen. 
Kein Kloster, aber eine ähnliche Anstalt war das Priesterhaus 
von St. Luzi. Wie wir früher gesehen, haben wir genügende 
Gründe zur Annahme, daß der hl. Valentinian bei der über dem 
Grabe des hl. Luzius erbauten Hauptkirche seine Kleriker zu gemein- 
jamem Leben vereinigte. Mit diesem gewißermassen klösterlichen In- 
stute war nach damaligem allgemeine Gebrauchem eine Schule ver- 
bunden.*?) Diese Annahme teilen angesehene Historiker ?), und sie 
erhält eine wichtige Stüße durch die Lebens8geschichte des hl. Othmar. 
Dieser wurde, wie uns Walahfrid Strabo erzählt, von seinem Bruder 
nach Chur zu Präses Viktor geführt um dort in den Wissenschaften 
unterrichtet zu werden.*?) Die Präsides von Rätien hatten damals 
noch ihren Siß im Kastell zu Chur, aljo in unmittelbarer Nachbar- 
jchaft von St. Luzi. Hier wird St. Othmar seine Bildung erhalten 
haben. Die Anstalt von St. Luzi war ohne Zweifel dafür bestimmt, 
die Kandidaten des Priestertums wissenschaftlich heranzubilden, sie 
in Frömmigkeit zu erziehen und in den Dienst des Heiligtums 
einzuüben. Vielleicht erhielten auch Jünglinge hier ihre Ausbildung, 
welche nicht für den geistlichen Stand bestimmt waren. 
Die Anstalt zu St. Luzi ist wohl als die erste <ristliche 
Schule in Rätien zu betrachten. Aus Alemannien, das im 6. 
und 7. Jahrhundert noch keine Schulen gehabt haben wird, zählte 
sie Zöglinge, wie das angeführte Beispiel des hl. Othmar beweist. 
Jahrhunderte hindurch ging von St. Luzi Bildung und <ristliche 
Gesittung aus für Rätien und Alemannien. 
1) Vergl. 3. B. Hergenröther-Kirsch, Kirchengesch. 1, S. 459. 
2) Z. B. Planta, da3 alte Rätien S. 282. Mohr, Gesch. von Graub. 
1, S. 150, Eichhorn p. 20. Ströbele im Jahrb. f. Schw. Gesch. Bd. 30, S. 50. 
8) „Jgitur Othmarus genere Alamannorum oriundus in aetate puerili a 
fratre 8uo Retiam Curiengem perductus in Servitio Victoris earundem partium 
comitis multo tempore constitutus et literarum Scientia sublimatus virtutum 
Sectator morumque laudabilium posgesSor 8acerdotil gradum conscendit et a 
Supradicto comite benigve retentus cuidam (ecclesi?) titulo Sancti Florini con- 
fesgoris praelatus est.“ VWalahfrid Strabo, vita S. Othmari, e. 1 Mon. Germ. 
Script. II, p. 41. 
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