Allgemeine kirc<liche Verhältnisse im 14. und 15. Jahrhundert. 515
Die Priester werden ermahnt, die hl. Messe mit Andacht und
Sorgfalt unter genauer Beobachtung der vorgeschriebenen Ceremonien
zu feiern. Sie sollen vor derselben wenigstens Matutin und Prim
gebetet haben. Ohne spezielle Erlaubnis des Bischofs ist es nicht
gestattet, auf einem tragbaren Altar die hl. Messe zu lesen. *) Außer
dem Weihnachtsfeste und Fällen dringender Notwendigkeit darf ein
Priester im Tage nur einmal die hl. Messe lesen.
Die Eucharistie soll unter gutem Verschlusse sorgfältig auf-
bewahrt und die Gestalten sollen wenigstens alle Monate erneuert
werden. Für die Begleitung des Allerheiligsten zu den Kranken
werden Ablässe verliehen.
Jeder Pfarrer darf nur seine Untergebenen beichthören. Durch
geeignete Fragen sind die einzelnen Sünden und deren Gattung zu
erfors<en. Das Beichtgeheimnis ist sorgfältig zu bewahren und
darf auch nicht zum Zwecke der Einholung einer Belehrung verlezt
werden. Hat jemand ungerechtes Gut sich angeeignet, so soll er zur
Restitution angehalten werden, wenn aber der rechtmäßige Eigen-
tümer und dessen Erben unbekannt sind, so ist der Betrag der Dom-
firche in Chur zuzuwenden. Bestimmte Vergehen, welche einzeln
augeführt werden, sind dem Bischofe, beziehungs8weise dem Großpö-
nitentiar, zur Absolution vorbehalten.
Was5 das EChewesen betrifft, jo waren die klandestinen Ehen,
d. h. diejenigen, welche ohne die vorgeschriebenen Verkündigungen
und nicht in facie ecclesix (vor dem Priester und Zeugen) ge-
schlossen wurden, zwar gültig, aber durchaus unerlaubt. 2)
Geheime Ehen kamen besonders im ausgehenden Mittelalter
üfter vor, und die Ulebelstände, welche sie mit sich brachten, veran-
laßten die kirc<lichen Behörden, strenge Bestimmungen gegen dieselben
zu erlassen. Unsere Statuten schrieben vor, daß die Pfarrer, jolche,
welche eine geheime Ehe eingegangen hatten, unter Androhung der
Exkommunikation ermahnen, innerhalb eines Monats die Ehe öffent-
lich in der Kirche zu bezeugen.
Diejenigen, welche wissentlich eine Ehe mit einem trennenden
Hindernisse (Blut5verwandtschaft , Schwägerschaft usw.) eingingen,
waren nach unseren Statuten exkommuniziert und durften nicht ab-
jolviert werden, bis sie sich getrennt hatten
!) ES finden sich für die damalige Zeit viele Beispiele, daß diese Er-
laubnis zur Feier von Primizen im Freien erteilt wurde. B. A.
2) 4. Lateran-Konzil 1215.