Von Bischof Konrad 1. bis Berthold Il.
50. Rudolf |. v. Güttingen.
Als nach dem Hinscheide Arnolds die Wahl eines Nachfolgers
stattfinden sollte, waren die Stimmen der Domherren geteilt. Die
einen wollten den Heinrich v. Realta, Kanonikus von Chur, die an-
dern den Albert v. Güttingen, Propst von St. Stephan in Konstanz
und Domherr von Chur und Konstanz, zum Bischofe erheben. Beide
Kandidaten hatten Stimmen erhalten und beide machten Anspruch
auf die Inful von Chur. Nachdem der Abt von Disentis vergeblich
zu vermitteln gejucht hatte, *) kam die Streitfrage zur Entscheidung
nach Rom. Der Bruder Albert3, Rudolf von Güttingen, *?) war Abt
von St. Gallen und suchte durch reichliche Geldspenden bei den Cu-
rialen den Entscheid zu Gunsten desselben zu erwirken. *) Bevor das
päpstliche Urteil gefällt wurde, starben beide Prätendenten in den
Jahren 1222-23. *?) Nun suchte Abt Rudolf das Bistum für sich
jelbst zu erlangen. Sein Plan gelang ihm, er wurde Bischof von
Chur. Damit aber nicht zufrieden, wollte er auch in seiner neuen
Stellung die Abtei St. Gallen beibehalten. Zu diesem Zwecke be-
stürmte er den Papst um die Bewilligung, beide Würden vereinigen
zu dürfen. Er stellte vor, daß das Bistum Chur infolge der streitigen
Bischof5swahl viel Schaden gelitten habe. Manche Güter und Ein-
fünfte seien durch Adelige gewaltsam entzogen worden. Um die Re-
stitution zu erzwingen, bedürfe der Bischof fremde Hilfe. DeShalb
möge der Papst die Beibehaltung der Abtei St. Gallen, welche Ru-
dolf von vielen Lasten befreit habe, gestatten. Das Domkapitel und
der Konvent von St. Gallen unterstüßten das Gesuch. Nach längerem
Zügern („licet din restiterimus“) gab Donorius 111. dem Bischofe
Rudolf am 23. Februar 1224 die Erlaubnis, für 3 Jahre das Stift
St. Gallen noch verwalten zu dürfen. *)
In der AusSübung des doppelten Amtes ließ dieser viel zu
wünschen übrig. Um die Schulden zu de>en, welche er für seine
Bestechungen hatte machen müssen, und um seine Verwandten mit
Gütern auszustatten, legte er den Angehörigen der Abtei St. Gallen
und des Hochstiftes Chur übermäßige Abgaben auf. Sein Ehrgeiz
und seine Sucht nach höheren Würden lassen überhaupt nicht darauf
1) Synopsis annal, Desertinens.
?) Der Stammsiß dieser Herren lag am Bodensee, zwischen Roman3-
horn und Münsterlingen.
8) Conr. de fabaria, Casus S. Galli. Mon. Germ. geript. II, p. 173.
4) Acta Pontificum Helvetica. I, p. 90.
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