91 Von Bischof Tello bis Bischof Gerbrath.
deinen Vater vorgenommenen Trennung des Episkopates von der
Grafengewalt, welch letztere wir (die Bischöfe) lange Zeit bekleidet
hatten. Noch jeht dauert die Gewalttat fort. Keinen von uns vor-
gebrachten Grund, keine schriftlihe Vorstellung beachteten die
beiden. Sie nahmen weg die Kirchen im Umfkreise des bischöfl.
Sites,*) welche von alters her immer den Bischöfen gehört haben,
und in denen sie täglich den Gottesdienst feierten. Nicht einmal
den hochheiligen Leib des seligen Bekenners Luzius, der die Stadt
vom Irrtume des- Satans zum Dienste des wahren Gottes bekehrt
hat, haben sie uns gelassen. Weggenommen haben sie uns die übrigen
Kirchen, Höfe, Knechte und Mägde, überhaupt alles, was ihnen ge-
fiel. Von über 230 Kirchen im Bereiche unserer Divzese sind dem
Bischofe nur noch 6 Taufkirchen und 25 Kapellen übrig geblieben
und auch diese sind beraubt worden. Von den 5 Leibern der Heiligen
haben sie uns feinen einzigen gelassen. Klöster waren ebenfalls fünf,
aber nur zwei Nonnenklöster verblieben uns.“?) Der König versprach
zwar, Gesandte zu schicken und Abhilfe zu schaffen, aber in Wirklich-
feit geschah nichts. DeShalb sandte der Bischof im folgenden Jahre
829 seinen Vikar Verendarius an Ludwig und ließ demselben eine
neue Bittschrift überreichen. Allein auch dieser Schritt hatte feinen
Erfolg. Da reiste der Bischof nochmals zum Könige und machte
ihm 830 in der Pfalz zu Corbeny aufs neue Vorstellungen. Nicht
um eitlen Ruhm und Ansehen zu suchen, wende er sich immer wieder
an den Herrscher, sondern um den Pflichten seines Amtes zu ge-
nügen, Gott getreu zu sein und seine Seele zu retten. Ludwig
wurde endlich zum Handeln bewogen und ordnete eine Kommission
nach Rätien ab. Sie bestand aus Bischof Bernold von Straßburg,
Abt Gottfrid vom Gregoriental und Graf Rochar. Auch der Räuber
Roderich wurde beigezogen. Das Resultat der von dieser Gesandt-
schaft gepflogenen Untersuchung war eine kaiserliche Urkunde, welche
im Juni 831 gegeben wurde.?) Durch dieselbe wurden dem Bistume
1) St. Luzius, St. Hilarius, St. Salvator, St. Martin, St. Laurentius.
?) Mohr, 1, S. 26. Die Datierung Mohr3 ist nicht haltbar, siehe
Nähere3 bei Dr. Gubser, Gesch. der Landsc<h. Gaster S. 345 ff. Mit der
richtigen Datierung fallen auch die Schwierigkeiten weg, welche durch die
Annahme entstanden, daß der Raub Roderichs noch zu Lebzeiten Hunfrids
stattgefunden habe.
3) Mohr 1, u. 19. Über die Datierung siehe Sickel, St. Galler Mitt.
3, S. 12 ff. und Vögelin im Jahrb. f. Schweiz. Gesch. Bd. 15, S. 226.
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