Von Bischof Tello bis Bischof Gerbrath.
freie Abt3wahl verliehen. *) Ist dieses richtig, so hat er ohne Zweifel
ebenfalls dem hl. Luzius in Chur seine Ehrfurcht bezeugt und den
dortigen Bischof besucht.
Auch Remedius vereinigte in seiner Hand die geistliche und
weltliche Gewalt. Ihm werden drei Gesehessammlungen zuge-
schrieben. Unbestritten ist seine Autorschaft des rätischen Straf-
geseßbuces (Capitula). Karl der Große ließ die ungeschriebenen
Gesetze aller Völker seines Reiches sammeln und aufzeichnen, Bischof
und Präses Remedius erhielt diese Aufgabe für Rätien. Die Ab-
fassung der Capitula dürfte in die Jahre 802 oder 803 fallen, weil
man sich damals besonders mit der Aufzeichnung der Geseze im
Frankenreiche beschäftigte. Wiederholt erwähnt die Gesezessammlung
den dominus Remedius episcopus. Weil er nicht direkt redend
und geseßgebend angeführt wird, dürften die Capitula auf einer Ver-
sammlung der Ministerialen und des Klerus zu Stande gefommen
jein.
Die Sammlung blieb uns in einer Handschrift des Klosters
St. Gallen aus dem 9. Jahrhundert erhalten?) Sie ist nicht eine
bloße Zusammenstellung der bisher bestehenden Strafsgeseße, sondern
es wurden bei Anlaß dieser Aufzeichnung auch manche neue hinzu-
gefügt. Weitaus die Mehrzahl des rätischen Volkes bestand aus
Romanen und lebte nach römischen Gesezen, aber als Angehörige
des fränfisch-germanischen Reiches konnten sie den Ordnungen De3-
selben nicht fremd bleiben. In der Sammlung des Remedius gibt
sich nun das Bestreben kund, den bisherigen Rechts8zustand der räti-
schen Bewohner den germanischen Grundsäßen zu nähern. Zwar
werden die nach römischen Anschauungen bestehenden Körperstrafen
und Einferkerungen für gewisse Vergehen beibehalten, daneben aber
der fränfische Brauch des Wehrgeldes eingeführt. Die Kapitula
des Remedius bilden eine Recht3quelle, wie aus dieser Zeit feine
ähnliche für das ganze Gebiet der fränfischen Monarchie sich finden
1) Annales Degertin. Die Straßen, welche durch Rätien nach Ztalien
führten, wurden zu dieser Zeit von den Deutschen, Briten u. s. w. am
häufigsten benübt, auch die Könige schlugen öfter diesen Weg ein. Deswegen
wurden die rätischen Klöster 829 verpflichtet „nach alter Gewohnheit“, den
Königen und ihren Söhnen Viktualien und andere Bedürfnisse zu reichen,
wenn sie über Konstanz und Chur nach Italien reisen. Friedrich, Kirchen-
ges<. Deutschl. 11, S. 642.
2) Zuerst veröffentlicht von Hänel in Richters kritischem Jahrbuch,
Jahrgang 1838, dann von Ir. v. Wyß im 7. Bd. des Archivs f. schweiz.
Gesch. und später von Mohr 1, S. 278.
28