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Joseph Bergmann. Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs
mit dem vom Jahre 1079 nicht eine und dieselbe Person sein können? Dass Graf Otto dem Geschlechte
der Grafen von Bregenz angehört habe, hat sehr viel Wahrscheinliches, zumal wir bald darauf im Jahre
1095 Ulrich Grafen von Bregenz, den 1097 verstorbenen Stifter des Klosters Mehrerau, und dessen
Sohn Rudolf, den Letzten (+ um 1157) dieses Hauses, in vier Urkunden ') für das Kloster Pfävers in
den Jahren 1110, 1125 und 1139 als Grafen in Curvalia und in pago Retia curiensi kennen ler-
nen, denen ihre Erben, die nachherigen Grafen von Montfort und Werdenberg, im Besitze dieser Grafschaf-
ten nachfolgten.
Da Baron v. Hormayr und nach ihm Sebastian Kögl *) und Andere die Grafen von Tirol von des
erwähnten Grafen Otto von Churrhätien Söhnen (?) abstammen lassen, so muss ich einen Theil des Diplo-
mes vom 123. Juli 1050 dem’ Leser zur Beurtheilung vorlegen. Bei v. Hormayr ist‘ die Hauptstelle aus
demselben zuerst in dessen Beiträgen zur Geschichte Tirol’s im Mittelalter 1804, Bd. I, 175, dann etwas
besser in den Wiener Jahrbüchern der Literatur, Bd. IV (1818), im Anzeigeblatte, S. 16, abgedruckt, wo
es von dieser Schenkung an das Hochstift Chur heisst: „— cum consensu praedicti Ottonis Comitis, et
Rudolfi, Eginonis, et filiorumeiuws , alterius Eginonis, Gerumberti (!) Adalberonis, et caetero-
rum conprouineialium ete.,” und dann zum Schlusse : „Hier erscheint Graf Otho mit seinen Söhnen Egino,
Adalbert, Gerung oder Gerumpert, die ihm bald darauf, und wie es scheint, Gerung im Vinschgau,
Egino und Adalbert hingegen in den Comitaten des Obern- und Gotteshausbundes gefolgt sind.” In seinen
sämmtlichen Werken Bd. I, 343, sagt derselbe von dieser Urkunde: „— insonderheit findet sich die Stelle:
in Comitatu Oittonis, Rudolfi et Eginonis, filiorum que Ottonis, alterius Eginonis, Gerumberti et Adal-
beronis” gar nicht in den echt scheinenden Abschriften,’” weiset auf das Dasein zweier Ottonen in Chur-
rhätien und eines dritten im Linzgau, d. i. Otto von Buchhorn, hin und lässt dann die Abstammung der
Grafen von Tirol ganz fallen.
In dem sorgsamen Abdrucke bei v. Mohr, Nr. 92, lautet diese Stelle: „— cum consensu praedicti
Ottonis comitis. et Rudolfi. Eginonis et filiorum eius. alterius Eginonis. Hunberti. Adelberonis,
et caelerorum conprouineialium.” Die andere Interpunetion gibt einen andern Sinn. Bezieht sich et filio-
rum eius nicht zunächst und am natürlichsten auf Egino? Rudolf und Egino halte ich für die gleich-
zeitigen Grafen von Achalm, die hier begütert waren; und wir finden auch in diesem Geschlechte zu
dieser Zeit einen jüngern Egino, dessen kinderlose Witwe Sephia sich dann mit dem Grafen Konrad von
Habsburg vermählte °). Gerung oder Gerumbert, und Adalbert verwandeln sich in Hunbert und
Adalbero! Da bald darauf im Vinschgau Gerung als Gaugraf erscheint, so muss dieser aus Hunbert
verrenkte Gerumbert und dann im Prokrustesbette verstümmelte Gerung dem: Freiherrn v. Hormayr als
Brücke dienen, um seine Grafen von Tirol von diesem sohnlosen Otto ete. herkommen zu lassen. In der,
in den Monum. Boic. Vol. XXIX, Nr. CCCCXXIV, pag. 199, dann in v. Hormayr’s Beiträgen ete.
Bd. II, Cod. probat. Nr. XXVI, gedruckten Urkunde ddo. Nürnberg am 13. Juni 1077, laut welcher K.
Heinrich IV. dem Bischof Altwin zu Brixen Schlanders im Vinschgau etc. schenkt, heisst es: „-—situm
in pago Finsgowe in comitatu Gerungit” — und so auch daselbst Nr. CCCCXXYV, und bei v. Hormayr
Nr. XXVII, in einer Urkunde aus Passau vom Jahre 1078 , kraft welcher derselbe Kaiser dem genannten
Bischof all das im Passeir schenkt, was der ihm (dem Kaiser) feindliche und geächtete Herzog Welf I.
(IV) dort besessen hat: — „Zn comitatu Gerun gi et in comitatu Friderici” *), welcher Friedrich ein
1) Die Regesten der Benedietiner Abtei Pfävers ete. von Karl We gelin. Chur 1850, Nr. 29, 31, 38 und 42; vgl. v. Mohr Nr. 103, 106,
11% und 121; dann zur Lösung mehrerer Zweifel s. meine früheste Kunde über den Bregenzerwald und die Stiftung des Klosters Meh-
rerau ete, in den Wiener Jahrb. der Literatur, Bd. CXVIII, im Anzeigebl. S. 6, Anmerk. 3 und S. 17.
+ Kögl in seiner Stammtafel der Grafen von Tirol in Ch mel’s Notizenblatt für österr. Geschichte und Literatur. Wien bei Beck 1843, Nr. 2.
) Die Stammtafel dieses 1098 im Mannsstamme erloschenen Geschlechtes von Achalm s. in Stälin 1, 56%, vgl. II, 452 und 45%, dann bei
v. Mohr zu Nr. 101, S, 145.
) „-— saneto Ingennino praefatae sedis Brixinensis tutori invietissimo quidquid Wel fo dux dum erat dux nostro dono et nostra gratia habuit
in pago PASSIR nominato. situm in comitatu Gerungi et in comitatu Fridericl , cum omnibus appendieiis, in alpibus et in alpinis paseuis
etc. in proprium tradidimus. tradendo firmavimus.”